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Götz Werner schuf eine milliardenschwere Handels-kette und lebt den Traum vom selbstbestimmten Leben. "Der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da."

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Götz Werner hält nichts von Dividenden und Boni. Lieber kämpft der Gründer der Drogeriekette DM und deutsche Milliardär für ein Grundeinkommen für alle. Warum er Arbeit für unterbezahlt hält, erzählte er Verena Kainrath.

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STANDARD: Sie gelten als Vordenker der Ethik in der Wirtschaft. Und Sie sind Milliardär. Ethik und Profit - wie passt das zusammen?

Werner: Das eine hat mit dem anderen wenig zu tun. Entscheidend ist, was macht man mit dem Vermögen? Mein Geld liegt im Unternehmen. DM konnte stark wachsen, weil ich das Kapital im Unternehmen gelassen habe. Ich besitze keine Aktien, Immobilien oder Ferienwohnungen in den Alpen.

STANDARD: Sind Sie nie der Versuchung der Spekulation erlegen?

Werner: Nein. Aber nicht jede Spekulation ist unethisch. Die Frage ist auch hier: Was bewirke ich mit meiner Handlung? Fördere ich andere damit, oder behindere ich sie?

STANDARD: Haben Sie sich oder Ihren Managern je Boni gegönnt?

Werner: Noch nie. Was will ich damit erzielen? Durch sie bringt einer eine Leistung nur für sich. Viele Handelsketten etwa gingen an schlechten teuren Standorten zugrunde. Das liegt an jenen, die für ihre Akquisitionen Boni bekamen. Ich sage, es gibt keine Filiale, die ich unbedingt haben muss.

STANDARD: In der Praxis ist im Handel für Ethik kein Platz. Der Druck ist enorm, Einkommen sind gering, Überstunden vermehrt unbezahlt.

Werner: Es ist falsch, was hier passiert. Der Hang dazu rührt daher, dass die Einkommen der Mitarbeiter oft als variable Kostengröße gesehen werden. Sinkt der Umsatz, spart man bei ihnen, bedroht sie. Unter Druck erreicht man jedoch keine Initiative. Was unsere Läden charmant macht, das ist die Sache der Mitarbeiter. Wir müssen dafür sorgen, dass sie unbedroht arbeiten können. Der Mensch ist nicht für die Wirtschaft da, sondern die Wirtschaft für den Menschen.

STANDARD: Ihr Rivale Schlecker lebt hier anderes vor, nicht ohne Erfolg.

Werner: Es führen viele Wege nach oben. Welcher ist der nachhaltigere? Die Krone hat andere Leser als der STANDARD, DM hat andere Kunden und Mitarbeiter als Schlecker.

STANDARD: Sie treten für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro ein. Wenn Einkommen von Arbeit entkoppelt ist: Wer will dann noch für 900 Euro Windeln, Zahnpasta und Müsli verkaufen?

Werner: Wir sind darauf angewiesen, dass andere etwas für uns tun. Und dafür muss man eben attraktive Arbeitsplätze stiften. Die Arbeit wird derzeit nicht genügend bezahlt. Es ist im Übrigen eine Frage des Menschenbildes: Weckt das Grundeinkommen mehr Initiative oder unterbindet es diese? Dazu gibt es viele Untersuchungen.

STANDARD: Sie würden Arbeit steuerlich entlasten und im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf 50 Prozent erhöhen. Das nützt Gutverdienern.

Werner: Die Preise würden damit nicht steigen. Menschliche Arbeit wird bei uns heute steuerlich diskriminiert, Maschinenarbeit und Importe werden hingegen subventioniert. Mit Konsumsteuern würde man beides gleich behandeln.

STANDARD: DM ist trotz Krise kräftig gewachsen. Die Umsatzrendite ist aber mit unter zwei Prozent geringer als bei anderen Handelsketten. Was, wenn das Geld ausgeht?

Werner: Unsere Rendite ist ausreichend. Die Erträge müssen so sein, dass sich mit ihnen die Zukunft bewältigen lässt. Mehr braucht es nicht. Man beteiligt sich nicht an Unternehmen wegen der Dividende, sondern damit es diese Firmen gibt. Und das ist Dividende genug. Geht es nur um sie, könnte man das Geld gleich aufessen. Es ist wie beim Atmen: Entnehme ich zu viel Gewinn, wird mir schwindlig.

STANDARD: Dem Handel steht ein hartes Jahr bevor, auch DM?

Werner: Schwierig ist es immer. Die Märkte brechen immer an den Rändern ab, und die Schwächeren verlieren als Erste. Wir müssen darauf schauen, die Besten zu sein.

STANDARD: Sie werden als Guru bezeichnet, als Mutmacher und Menschenveredler. Sind Sie der Popstar unter den Unternehmern?

Werner: Ich drücke es schillerisch aus: Das, was man tut, soll man ästhetisieren. Erstens muss es notwendig sein und zweitens schön. Und es muss dem Ganzen dienen. Das gilt für alles im Leben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30./31.1.2010)