Nach dem ursprünglichen Release-Plan hätte OpenOffice.org 3.2.0 eigentlich bereits vergangenen November veröffentlicht werden sollen, daraus ist zwar nichts geworden, nun scheint die Release aber tatsächlich kurz bevor zu stehen. Mit dem Release Candidate 4 gibt es mittlerweile eine Testversion, die praktisch ident mit der finalen Version sein sollte, insofern liefert sie einen vorzüglichen Blick auf die Neuerungen des Updates, etwas was auf den folgenden Seiten vorgenommen werden soll.

Hintergrund

Zuvor aber ein paar grundlegende Anmerkungen, immerhin haben sich in den letzten Monaten im  Ökosystem rund um OpenOffice.org-Universum zentrale Umwälzungen ergeben, die auch auf die freie Office-Suite selbst massive Auswirkungen haben könnten. Durch die Übernahme des primären Trägers der OpenOffice.org-Entwicklung, Sun, durch Oracle sind zahlreiche Fragen zur weiteren Zukunft der Software aufgeworfen worden. Aber immerhin: Auch wenn derzeit noch so manches im Unklaren liegt, hat Oracle zumindest prinzipielles Interesse an der Weiterführung des Engagement rund um OpenOffice.org signalisiert.

Pläne

So soll es künftig etwa eine "Cloud-Version" von OpenOffice.org geben, auch wenn Oracle noch keine Details nennt, kann man sich darunter wohl eine Web-basierte Office-Lösung ähnlich Microsofts Ambitionen in diesem Bereich vorstellen. Einen weiteren Schwerpunkt will man auf FirmenkundInnen legen, also den Verkauf von Support-Verträgen weiter befördern. Aber auch die "Community-Edition" - also die kostenlose Download-Version von OpenOffice.org - soll weitere beworben und entwickelt werden. Welchem Unterfangen man dabei welche Priorität - und die nötigen Ressourcen - angedeihen lässt, wird sich aber wohl erst über die kommenden Monate herauskristallisieren. Insofern heißt es wohl zunächst mal: Abwarten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Da kommt eine neue OpenOffice.org-Version zur Ablenkung durchaus zupass, und das Update auf die Version 3.2.0 hat in dieser Hinsicht einiges zu bieten, fasst man darin doch die Neuerungen der Entwicklung der letzten neun Monate zusammen. So tragen etwa die anhaltenden Bemühungen zur Optimierung der Performance der freien Office-Suite recht beeindruckende Früchte, konkret streicht man die schon gern mal kritisierte Startgeschwindigkeit der Anwendung heraus.

Speed

Der "Kaltstart" - also der erste Aufruf nach dem Starten des Rechners - der Textverarbeitungs-Komponente soll seit der Version 3.0 um stolze 46 Prozent verkürzt worden sein, beinahe eine Verdopplung der Geschwindigkeit in diesem Bereich also. Ein Fortschritt, der in der aktuellen Version deutlich zu spüren ist, und der die Nutzung des "Quickstarters" - der zentrale OpenOffice.org-Komponenten beim Systemstart lädt und so die Wartezeit beim späteren Aufrufen der Anwendung verkürzt - zunehmend unnötig macht (zumindest aus dieser Nutzungsperspektive).

Formate

Einen Schwerpunkt der Entwicklung hat man bei OpenOffice.org 3.2.0 auf die bessere Unterstützung von Dateiformaten gelegt, so bietet die frische Release erweiterten Support für die Möglichkeiten von OpenDocument (ODF) 1.2, immerhin das Standardformat von OpenOffice.org. Sehr nützlich auch, dass die Office-Suite dabei nun die Integrität von ODF-Dokumenten beim Laden prüfen kann. Wird eine Datei aufgerufen, die in dieser Hinsicht Fehler aufweist - etwa weil sie von einer Anwendung erstellt wurde, die ODF nicht korrekt implementiert - bietet OpenOffice.org die Reparatur an.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zahlreiche Verbesserungen bringt das Update aber auch für die Interoperabilität mit der Microsoft-Welt und deren Dokumentformaten. So unterstützt man nun etwa passwortgeschützte Dokument im Office Open XML-Format von Office 2007 (und später), außerdem ist es jetzt möglich Pivot-Tabellen und OLE-Objekte aus Excel 2007-Dateien in OpenOffice.org zu übernehmen. Ein weiteres Highlight ist die Unterstützung für den RC4-Algorithmus zur Verschlüsselung von Dateien in älteren Microsoft-Office-Formaten, ist dies doch die Default-Verschlüsselungsmethode des proprietären Softwarepakets der Konkurrenz.

Anmerkungen

Bereits aus früheren Releases ist die Kommentarfunktion für Writer und Calc bekannt, nun wandert selbige aber auch in andere Komponenten, konkret zu Draw und Impress. Enrsprechend lassen sich nun auch hier kurze Anmerkungen zu konkreten Punkten vornehmen, was sich vor allem bei der Arbeit von mehreren AutorInnen an einem Dokument als sehr nützlich erweist.

Nummer

Ebenfalls in Draw und Impress ist die Möglichkeit der automatischen Seitennummerierung mittels des neuen Textfeldtyps "Seitennummer hinzugekommen. Im Writer lässt sich bei der Rechschreibkorrektur nun auswählen, ob frisch hinzugefügte Begriffe nach der Beendigung der Arbeiten an einem konkreten Dokument wieder aus der allgemeinen Wortliste gelöscht werden sollen - oder doch dauerhaft gespeichert werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Während man bei Writer, Draw und Co. vor allem Detailverbesserungen bietet, findet sich der allergrößte Teil der Verbesserungen von OpenOffice.org 3.2.0 in der Tabellenkalkulation Calc. Da gibt es etwa eine verbesserte Sortierfunktion, die versucht "mitzudenken": Vor der Umreihung wird noch einmal nachgefragt, ob benachbarte Zellen - bei denen dies Sinn machen würde - automatisch in die Auswahl aufgenommen werden sollen. Auf diese Weise erspart man sich schon mal den manuellen Gang zur Undo-Funktion, ein äußerst nützlicher Neuzugang also.

Borders

Neu ist die Möglichkeit Zellenumrandungen gleichzeitig auf eine beliebige Auswahl von Zellen anzuwenden, bislang funktionierte dies nur mit rechteckigen Bereichen. Verbesserungen gab es außerdem beim automatischen Ausfüllen von Zellen, bei Kombinationen aus Zahlen und anderen Zeichen wird nun automatisch die letzte Zahl und nicht mehr die erste erhöht, was beispielsweise das Eintragen von IP-Adressen-Listen erleichtert.

Einfügen

Erweitert hat man die Copy & Paste-Möglichkeiten von Calc, so können nun auch mehrere, nicht zusammenhängende Bereiche gemeinsam kopiert werden. Ebenfalls recht hilfreich: Beim Einfügen von Formeln bleiben mit OpenOffice.org 3.2.0 die darin enthaltenen Zeilenwechsel bewahrt - bisher waren sie durch Leerzeichen ersetzt worden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Aufgebohrt hat man die Möglichkeiten der Standard-Filter-Funktion: Hier werden nun von Haus aus vier statt bisher drei Bedingungen angezeigt, über Scrollbalken gibt es dann den Zugriff auf acht Stück. Außerdem sind einigen neue Bedingungen hinzugekommen, etwa "Enthält" und "Enthält nicht" oder auch "Beginnt" / "Endet" "mit" / "nicht mit".

Faktoren

Bei den Umwandlungsmöglichkeiten hat sich auch so manches getan, hier werden nun einige zusätzliche Faktoren unterstützt, wie es die OpenDocument-Spezifikation vorsieht. Wer sich darunter so gar nichts vorstellen kann: Mit diesen Faktoren können Einheiten umgerechnet werden, also etwa Quadratkilometer automatisch in Hektar angegeben werden.

Unicode

Ein Neuzugang sind die Funktionen "UNICODE" und "UNIZEICHEN", die für ein Unicode-Zeichen den zugehörigen Code liefern können - und umgekehrt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Für die Erstellung von Diagrammen ist bei OpenOffice.org der Chart-Assistent zuständig, dieser kennt mit der Version 3.2.0 eine Reihe von neuen Diagrammtypen. So sind etwa die Bubble-Charts neu hinzugekommen, diese ähneln xy-Charts, erlauben aber auch eine dritte Variable, die dann die Größe der dargestellten "Blase" definiert. Beim hinter der freien Office-Suite stehenden Projekt verweist man darauf, dass dies eines der von den BenutzerInnen meist angefragten Features war.

Rotation

Ebenfalls ein Neuzugang sind die "Flächengefüllten Netzdiagramme", ein Variante der schon bisher verfügbaren Netzdiagramme. Für die Übersicht in Diagrammen ist hingegen hilfreich, dass die Beschriftung nun rotiert werden kann, vor allem bei schmalen Balken kann es sonst hier schon mal etwa eng werden.

Auswahl

Wer ein Diagramm erstellen lässt, darf sich außerdem jetzt entscheiden, ob Daten aus versteckten Zellen in dieses einbezogen werden sollen - oder eben auch nicht. Eine Interface-Änderung stellt die Aufnahme einer Auswahlbox dar, über die schnell die einzelnen Elemente eines angewählten Diagramme erreicht werden können.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Datenbank-Komponente hat mit der Version 3.2.0 der freien Office-Suite ein Zoom-Funktion hinzubekommen. Wie auch von anderen OpenOffice.org-Bestandteilen bekannt, kann so über einen Zoom-Regler (oder per Strg+Mausrad) die Vergrößerungsstufe bei Formularen schnell verändert werden.

Beschränkungen

Vor allem für jene nützlich, die Daten aus anderen Quellen übernehmen wollen: Beim Kopieren von RTF- oder HTML-Informationen wird nun automatisch die erste Zeile als Spaltenname verwendet. Wer die Nutzung von Base einschränken will, kann mit der neuen Version über die Konfiguration die Erstellung von neuen Datenbanken gänzlich verbieten.

Sicherheit

Neben neuen Funktionen widmet man sich beim OpenOffice.org-Projekt aber auch zunehmend grundlegenden Sicherheitsverbesserungen. In der aktuellen Release hat dies zur Folge, dass es nicht mehr möglich ist, in verschlüsselten Dokumenten nachträglich unverschlüsselte Makros einzufügen oder bestehende, verschlüsselte Makros durch unverschlüsselte zu ersetzen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Im steten Bemühen die Integration mit dem umgebenden Desktop-System weiter zu verbessern, gibt es ebenfalls weitere Fortschritte: So wird nun unter Windows 7 dessen nativer Dateiauswahldialog verwendet, das selbe gilt für den freien Desktop KDE4.

International

Eines der Themen, bei denen sich OpenOffice.org schon jetzt vorbildlich präsentiert, ist jenes der Internationalisierung. Dem Lokalisierungs-Pool fügt man mit der Version 3.2.0 einige weitere Optionen hinzu, von Jiddisch bis zu Quechua reicht dabei die Palette der offiziell unterstützten Neuzugänge. Alle Sprachvarianten profitieren davon, dass mit den jeweiligen Einstellungen nun auch automatisch die passende Papiergröße eingestellt wird. In diesem Bereich ebenfalls nicht ganz unwichtig ist die Aufnahme des Supports für Graphite-Schriften, erleichtert dieser doch die Unterstützung von Minderheitensprachen. Zusätzlich können jetzt auch Postscript-basierte OpenType-Schriften verwendet werden.

Download

OpenOffice.org 3.2.0 sollte bereits Anfang Februar zum Download freigegeben werden, wer sich nicht so lang gedulden will, kann sich vorab den aktuellen Release Candidate besorgen. Unterdessen arbeitet man bereits eifrig an der kommenden Generation der freien Office-Suite, diese soll unter anderem eine durchgängige Suchzeile spendiert bekommen. Auch die ersten Erkenntnisse aus dem "Project Renaissance", das sich der Überarbeitung des OOo-Interfaces verschrieben hat, sollen hier einfließen, und zwar konkret in UI-Verbesserungen bei der Präsentationskomponente Impress. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 31.01.2010)

Screenshot: Andreas Proschofsky