Den Schumpeter-Preis hat er in der Tasche, auf eine umfassende Finanzregulierung wartet er noch. Barry Eichengreen verlangt dabei einen umfassenden Zugang statt Stückwerk.

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Ökonom Barry Eichengreen fordert eine umfassende Regulierung statt Stückwerk. Er rechnet mit einer neuen US-Rezession und der Rettung Griechenlands durch EU und IWF. Andreas Schnauder fragte nach.

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STANDARD: Sie haben diese Woche den Schumpeter-Preis erhalten. Hätte Schumpeter die Institute nicht im Sinne der kreativen Zerstörung fallengelassen?

Eichengreen:  Ja. Schumpeter war in der Großen Depression gegen die Rettung von Banken. Aber er hat auch erkannt, dass die Lage außer Kontrolle geriet und dass der Kollaps des Finanzsystems zu viel Leid verursachen würde. Letztlich hat er das keynesianische Argument der Intervention verstanden.

STANDARD: Doch seit Lehman werden die Banken aufgefangen. Ist das nicht ein Blankoscheck für die Institute?

Eichengreen: Das ist ein Problem. Das erklärt, warum die Finanzwirtschaft seither wieder größere Risiken eingeht. Daher: Die Banken dürfen nicht so groß werden, dass sie ein systemisches Risiko darstellen und somit nicht fallengelassen werden können. Ebenso wichtig ist das Problem der Counterparty-Risiken: Lehman Brothers musste wegen der Credit Default Swaps (zur Absicherung von Risiken, Anm.) gerettet werden, die andere Banken hielten. Diese Papiere sollten über Clearing-Häuser geregelt werden.

STANDARD: Die EU hat zudem beschlossen, einen Selbstbehalt einzuführen, wenn diese Derivate weitergegeben werden.

Eichengreen: Das hilft ein bisschen, reicht aber nicht. Wir benötigen höheres Eigenkapital, eine Untergrenze für Liquidität, eine Obergrenze für die Verschuldung, die Reform der Vergütungen.

STANDARD: Und wie stehen Sie zu einer Bankensteuer?

Eichengreen: Steuern abhängig von der Bilanzsumme einer Bank, damit sie nicht zu groß werden, sind vernünftig. Der Vorschlag Obamas geht in die richtige Richtung. Aber die Steuer ist zu gering, um eine Kerbe zu schlagen.

STANDARD: Was halten Sie von der ebenfalls angekündigten Kastration der Banken?

Eichengreen: Dass Obama das Too-big-to-fail-Problem angeht, ist vielversprechend. Aber der Zugang macht mir Kopfzerbrechen. Die Frage stellt sich, ob mit Größenlimits und Verbot des Eigenhandels das Geschäft nicht außerhalb der Bilanzen verlagert wird. War das Schattenbankensystem nicht die Wurzel der Finanzkrise? Ich betrachte die Pläne als Wunschdenken. Wir brauchen eine umfassende Herangehensweise an das Problem, die ich derzeit nicht erkennen kann, und kein Stückwerk.

STANDARD: Werden die Bemühungen auf internationaler Ebene weit genug gehen?

Eichengreen: Werden sie nicht. Lediglich die Basel-Vorschläge für Eigenkapitalanforderungen an Banken gehen weit genug. Doch die USA haben schon Basel II mitverhandelt aber nicht umgesetzt. So stellt sich die Frage: Werden sie die jetzige Reform übernehmen? Ich bin mir nicht sicher.

STANDARD: Ist der Höhepunkt der Krise überschritten?

Eichengreen: Ich befürchte, dass das Schlimmste nicht überwunden ist. Die Konsumnachfrage in den USA dürfte durch die steigende Arbeitslosigkeit wieder geschwächt werden. Dazu kommt die anhaltende Schwäche am Immobilienmarkt. Ich befürchte eine Double-Dip-Entwicklung.

STANDARD: Wie geht es mit dem Dollar weiter?

Eichengreen: Der Dollar wird wahrscheinlich weiter nachgeben, weil die USA mehr exportieren müssen. Er wird aber eine Weltwährung bleiben, allerdings gemeinsam mit dem Euro und - in zehn Jahren - mit dem Yuan.

STANDARD: Wird Osteuropa an die Boomzeiten anschließen?

Eichengreen: Das wird unmöglich sein. Das hohe Wachstum war nicht nachhaltig. Ein großes Problem ist, dass viele Länder ihre Wechselkurse nicht anpassen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Das gilt übrigens auch für Griechenland.

STANDARD: Wird Griechenland den Euro ernsthaft gefährden?

Eichengreen: Die logische Lösung ist eine Lösung, bei der der Währungsfonds die Bedingungen vorgibt und die EU den größten Teil der Finanzhilfe beisteuert.

STANDARD: Das ist bei Euro-Mitgliedern aber eigentlich nicht möglich.

Eichengreen: Alle Alternativen - dass Griechenland das Problem selbst löst oder pleitegeht - können wir eliminieren.  (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.1.2010)