Das Nexus One ist Googles erstes selbstvertriebenes Smartphone.

Foto: Google

Eines der Highlight ist die neue Galerie, die von Cooliris entwickelt wurde.

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Die Spracheingabe funktioniert nun bei beliebigen Textfelder, ist bislang aber auf Englisch beschränkt.

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Android 2.1 bringt auch eine neue Wetteranzeige, die detaillierte Informationen über die nächsten Stunden und Tage liefert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Noch einmal die Galerie: Bilder werden in einer Art Vorschauwand präsentiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wenig hat sich bei der Musikanwendung getan, sie bleibt weiterhin einer der Schwachpunkte von Android.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit dem Nexus One hat Google Anfang Jänner eine neue Epoche in der Entwicklung des eigenen mobilen Betriebssystems Android eingeläutet. Erstmalig wird ein Smartphone - oder wie es Google selbst lieber nennen würde: "Superphone" -  vom Softwarehersteller direkt über den eigenen Online-Shop verkauft.

Modell

Die Idee dahinter ist eine, die durchaus nachhaltige Auswirkungen auf den Mobilfunkmarkt haben könnte: Die KundInnen sollen sich künftig - bei Bedarf - zu einem neuen Gerät frei den für sie optimalen Provider bzw. Tarif suchen können, Exklusivverträge und SIM-Locks sind in diesem Modell nicht vorgesehen. Damit dieses Konzept wirklich aufgeht, müssen sich freilich die Netzbetreiber auch darauf einlassen, zumindest am US-Markt scheint dies mit dem Nexus One durchaus zu gelingen: Neben T-Mobile haben bereits Verizon und Vodafone ihr Interesse an der Auslieferung des Geräts bekundet, ein durchaus interessanter Fakt, sind doch - nicht nur - in den USA sonst Exklusivdeals von Telefonherstellern mit einzelnen Anbietern Gang und Gäbe. Zusätzlich hat sich Google in Fragen SIM-Lock durchgesetzt: Egal ob mit oder ohne Vertrag gekauft, soll das Nexus One immer freigeschalten - also nicht auf einen Provider beschränkt - abgegeben werden, so zumindest das Versprechen des Unternehmens.

Probleme und Verfügbarkeit

Dass Google so seine liebe Not mit der neuen Rolle als Mobiltelefonanbieter hat, wurde schon in den letzten Tagen und Wochen ausführlich diskutiert, vor allem der Support scheint hier nicht ausreichend auf das KundInneninteresse vorbereitet gewesen zu sein. Zumindest unter diesem Blickpunk also wohl gar nicht so schlecht, dass Google das Nexus One nicht gleich von Tag 1 an weltweit ausgeliefert hat, hätte sich so die organisatorische Überforderung doch wohl noch weiter verschärft. Umgekehrt bedeutet dies freilich auch, dass es hierzulande derzeit recht schwer ist, an das neue Android-Smartphone zu kommen, eine US-Kreditkarte und die passende zugehörige Adresse ist Voraussetzung für den Erwerb.

Hands-On

Eine Beschränkung, die auch für die lokale Presse gilt, Google vergibt hierzulande derzeit also noch keine Testgeräte. Immerhin hat man nun aber interessierten JournalistInnen die Chance eines "Hands-On" mit dem Nexus One gewährt, aus dem die folgenden Eindrücke resultierten. Explizit sei herausgestrichen, dass es sich dabei um keinen vollständigen Testbericht handelt - dafür war die Zeit, die der Autor mit dem Nexus One verbringen konnte, einfach zu kurz - sondern um einen mit so manchen Hintergrundinformationen angereicherten "ersten Eindruck".

Äußerlichkeiten

Und dieser beginnt mit durchwegs positiven Erfahrungen: An der Verarbeitung des Nexus One gibt es wirklich nichts zu beklagen, hier schimmert die Erfahrung des dahinter stehenden Hardwareherstellers HTC durch. Mit einem Gewicht von 130 Gramm und den Abmessungen von 119 x 59,8 x 11,5mm liegt es vorzüglich in der Hand, vor allem die geringe Dicke fällt positiv auf. Eine Teflon-Beschichtung sorgt dafür, dass Fingerabdrücke am Gehäuse minimiert werden, die abgerundeten Formen erzeugen ein angenehmes haptisches Erlebnis.

Der Bildschirm

Eines der herausragenden Merkmale des Nexus One ist sicherlich der 3,7-Zoll große AMOLED-Touchscreen, der gegenüber den gebräuchlicheren TFT-Screens vor allem beim Schwarzwert erhebliche Vorteile verspricht. Und dies durchaus zurecht: Wo etwa beim Motorola Milestone / Droid - dem aktuell am ehesten zu vergleichenden Android-Smartphone - ein deutlich erkennbares Hintergrundleuchten übrig bleibt, sind schwarze Farbpunkte am Screen des Nexus One tatsächlich praktisch vollständig dunkel. Beeindruckend lässt sich das mit der bei Android 2.1 neuen "Night Clock" zeigen, die die Uhrzeit mit minimaler Helligkeit während der Nacht darstellt. Topwerte liefert das Nexus One auch beim Kontrast, der Hersteller gibt ihn mit maximal 100.000:1 an, in Fragen der Winkelabhängigkeit kann das Gerät ebenfalls überzeugen.

Farben

Abstriche muss man hingegen bei der Helligkeit hinnehmen, hier hat das Milestone / Droid deutlich mehr zu bieten, auch an die Farbechtheit des Motorola-Geräts kommt das Google-Smartphone nicht heran, neigt es doch zur Übersaturierung.  Über die Qualität des Touchscreens wurde in den letzten Wochen schon einiges geschrieben, zumindest im kurzen Test konnten aber keinerlei Ungenauigkeiten festgestellt werden. Ein uneingeschränktes Plus ist dafür die Bildschirmauflösung von 480x800 Pixel, die eine erheblich detailliertere Darstellung ermöglicht als beim Gros der Android-Geräte (oder auch dem iPhone 3GS und dem Palm Pre), die typischerweise mit 320x480 Pixel auskommen müssen. Am eindrücklichsten zeigt sich dieser Vorteil wohl bei der Darstellung von Webseiten, wo sonst bei der Gesamtansicht einer Seite nur grobe Elemente wahrnehmbar sind, lässt sich beim Nexus One - und beim Milestone/Droid, das mit 480x854 noch ein paar Pixel extra bietet - meist schon ohne weiteres Zoomen der Text lesen.

Bonus

Unterhalb des Touchscreen befindet sich übrigens noch ein Trackball, der alternativ zur Steuerung benutzt werden kann. Dies allerdings wirklich völlig optional, wer will kann also auch vollständig auf den Einsatz des Trackballs verzichten. Ein netter Bonus, dessen reale Nützlichkeit freilich primär von den eigenen Gewohnheiten abhängt.

Softwareausstattung

Als erstes Smartphone ist das Nexus One mit Android 2.1 ausgestattet, gegenüber der Version 2.0.x halten sich die Änderungen am Basissystem selbst allerdings in Grenzen. Ein Umstand der sich nicht zuletzt darin manifestiert, dass Google der neuen Release keinen frischen Codenamen spendiert hat, sondern sie als Update der "Eclair"-Plattform von Android 2.0 begreift - passenderweise basierend auf dem selben Linux-Kernel 2.6.29.

Anwendungen

Dass sich die UserInnen trotzdem über so manche Verbesserung freuen dürfen, liegt vor allem an der Aufnahme einiger frischer Anwendungen. Das Highlight ist dabei wohl die Galerie, die von Cooliris vollständig neu entwickelt wurde. Wie auch bei den Desktop- und Browser-Lösungen des Unternehmens geht es hier sehr effektvoll zu, von sanften Übergangsanimationen beim Wechsel der Ansicht bis zu kleinen Spielereien, wie dass sich die Fotowand beim Neigen des Geräts mitbewegt - alles ein echter "Hingucker". Äußerst erfreulich dabei, dass man in Hinblick auf Funktionalität und Performance keine Kompromisse eingegangen ist, die neue Galerie läuft nicht nur spürbar flotter als der Vorgänger, es gibt auch so manche neue Funktion, wie etwa die Möglichkeit Fotos nach ihrem Aufnahmeort zu sortieren. Außerdem werden hier nun von Haus aus auf Picasa befindliche Bilder direkt neben den lokal gespeicherten Grafiken und Fotos dargestellt.

Vermischtes

Ebenfalls neu ist das "Google News and Weather Widget", über das sich aktuelle Wetterwerte - samt hübsch gemachten Detailinformationen - sowie die neuesten Schlagzeilen präsentieren lassen. Dazu kommt noch die zuvor schon kurz erwähnte Night Clock, auf der neben der Uhrzeit auch die Außentemperatur präsentiert wird, zusätzlich gibt es hier den schnellen Zugang zu einem Slideshow-Modus, dem Musik-Player und den Wecker-Einstellungen. Apropos Musik-Player: Dieser wurde mit der Version 2.1 nur minimal optisch überarbeitet, gehört also weiter zu den Schwächen von Android.

Launcher2

Gröbere Umarbeiten gibt es hingegen bei den Home-Screens zu vermelden, nicht nur dass derer nun fünf statt der bisherigen drei zur Ablage von Programmen und Widgets zur Verfügung stehen, wurde auch der Anwendungsstarter gänzlich neu gestaltet. Das Anwählen des zugehörigen Symbols am unteren Bildschirmrand ruft den Übersichtsmodus auf. Dieser ist zwar durchaus hübsch gemacht - so verschwinden die Icons am Ende des Screens in der Tiefe - etwas störend ist allerdings, dass es bei jeder Programmzeile einen leichten "Einrast"-Effekt gibt, der der Haptik eher weniger zuträglich ist. Ein absolutes Plus ist hingegen, dass sich nun eine kleine Voransicht aller geöffneten Home-Screens einblenden lässt, über die diese gezielt angesteuert werden können.

Hintergründig

In die Kategorie "wunderbar unnötig" gehören die Live Wallpapers, die den Bildschirmhintergrund nicht nur animiert gestalten, sondern auch zum Teil auf NutzerInnen-Eingaben reagieren. So werden dann etwa durch eine Berührung des Bildschirms virtuelle Wasserwellen ausgelöst oder Lichtimpulse Desktop-übergreifend verschickt. Verbraucht natürlich alles so seine Akku-Laufzeit, entsprechend werden das wohl viele UserInnen recht schnell wieder deaktivieren, zum Eindruck schinden ist es aber bestens geeignet.

Top-Speed

Was beim Nexus One sofort auffällt, ist die hohe Geschwindigkeit mit der hier alles abläuft, praktisch alle Anwendungen sind umgehend gestartet, auch der Wechsel zwischen den Home-Screens ist absolut flüssig. Kein Wunder - mit seinem 1 GHz Snapdragon-Prozessor ist das Nexus One in dieser Hinsicht "State of the Art" und sogar noch einen spürbaren Tick flotter als das ohnehin schon ziemlich flinke Motorola Milestone / Droid. Dies zeigt sich gerade beim integrierten Browser, der die Seiten deutlich flotter rendert als die Konkurrenz - auch die von iPhone 3GS und Palm Pre wohlgemerkt.

Kamera

Positiv ins Auge sticht des weiteren die integrierte 5-Megapixel-Kamera, die für ein Smartphone deutlich überdurchschnittliche Bilder liefert, bei dunkler Umgebung hilft zusätzlich das - sehr helle - LED-Blitzlicht. Auch die Videoaufnahmen mit 720x480 Pixel (bei 20 Bildern pro Sekunde) können sich durchaus sehen lassen. Eine weitere Neuerung von Android 2.1: Neben Exchange und GMail können nun auch Facebook-Accounts in das Adressbuch integriert werden, die Profil-Bilder der eigenen FreundInnen werden dabei automatisch in die lokale Kontaktliste übernommen. Bleibt zu hoffen, dass Google diesen Weg weiter beschreitet und künftig noch andere Services von Haus aus unterstützt - Flickr oder Twitter wären hier wohl zwei Dienste, die sich anbieten würden.

Lokale Beschränkungen

Auf den für das Hands-On zur Verfügung gestellten Geräten befand sich die US-amerikanische Softwareversion, insofern waren hier auch einige Anwendungen installiert, die bislang in Europa üblicherweise nicht mit Android-Geräten ausgeliefert werden. Dazu gehört etwa die Spracherkennung, über die sich zwischenzeitlich nicht nur Suchanfragen durchführen lassen, es können nun auch in beliebigen Textfeldern auf diese Weise Eingaben vorgenommen werden - vom SMS bis zum Tweet lässt sich hier also nun so einiges diktieren. Dies funktioniert bei gut betonter Aussprache zwar schon recht gut, ist aber bislang auf Englisch begrenzt, wann dies auch mit anderen Sprachen funktionieren wird, kann man bei Google derzeit noch nicht sagen - geplant ist es aber auf jeden Fall, wie man versichert.

Navigation

Ein ähnlich gelagerter Fall ist Google Navigation, das aufgrund von Lizenz-Fragen im Bezug auf das Kartenmaterial bislang nur in den USA funktionstüchtig ist, selbiges gilt für Googles eigenes Telefonieservice Google Voice. Insofern bleibt abzuwarten, welche dieser Funktionen schlussendlich bei europäischen Nexus-One-Geräten aktiv sein werden. Umgekehrt wird sich aber auch erst zeigen müssen, ob europäische Varianten des Smartphones mit Multitouch ausgeliefert werden, eine Unterscheidung wie sie etwa Motorola zwischen Droid und Milestone vornimmt. Bislang signalisiert Google in dieser Hinsicht jedoch eher Ablehnung, also lieber die Hoffnungen nicht all zu groß werden lasse

Google Earth

Ebenfalls eine Besonderheit der Google-internen Geräte: Hier konnte schon eine Preview-Version von Google Earth für Android in Augenschein genommen werden, die Anwendung machte dabei einen ebenso flotten wie stabilen Eindruck. Die fehlende Multitouch-Unterstützung fällt hier - wie auch beim enthaltenen Google Maps 4 - allerdings besonders negativ auf.

Powerfragen

Zum Stromverbrauch lässt sich in so einer kurzen Testperiode keinerlei seriöse Einschätzung geben, bisherigen Berichten zu Folge kann sich dieser im Vergleich zu anderen aktuellen Smartphones aber durchaus sehen lassen - um das fixe nächtliche Aufladen wird man wohl trotzdem nicht herum kommen. Interessant aber, dass auch beim Nexus One wieder der Touchscreen der klar größte Stromverbraucher ist, die AMOLED-Ausführung bringt in der Realität also nur begrenzte Vorteile. Positiv fällt hingegen das RAM von 512 MByte auf, das dafür sorgt, dass Anwendungen wesentlich mehr Spielraum haben als etwa beim Milestone / Droid, das mit 256 MByte auskommen muss. Da sind dann auch die ca. 10 MB Speicher, die die Live Wallpapers fressen, leichter zu verkraften. Auch zur Anwendungsspeicherung gibt es mehr Platz als bei anderen Android-Geräten, umfasst der integrierte Flash-Speicher doch ebenfalls 512 MByte. Wem das noch immer zu wenig ist, der darf zumindest auf ein bessere Zukunft hoffen: Google hat unlängst angekündigt, dass spätere Versionen von Android die Auslagerung von Anwendungen auf die MicroSD-Karte ermöglichen sollen.

Unlock

Zum Abschluss noch ein erfreulicher Hinweis für all jene, die sich gerne etwas tiefer gehend mit der Software ihres Smartphones auseinandersetzen wollen: Der Bootloader des Nexus One sieht von Haus aus die Möglichkeit eines OEM-Unlock vor, nach dessen Ausführung sich beliebige Software einspielen lässt, also etwa auch alternative Firmware. Insofern entfällt die Notwendigkeit eines funktionstüchtigen Root-Hacks beim Nexus One vollständig. Trotzdem gilt aber auch hier, dass durch so einen Schritt die Garantie ungültig werden kann, ein Umstand auf den Google vor dem Unlock noch mal gesondert hinweist.

Verfügbarkeit, unklar

Wann das Nexus One schlussendlich in Österreich erhältlich sein wird, ist derzeit noch offen. Bekannt ist lediglich, dass sich die großen österreichischen Provider - mit der lautstarken Ausnahme von Orange - um die Kooperation mit Google bemühen. Wer sich bis dahin schon einmal mit dem Gerät vertraut machen will, dem sei der Nexus One User-Guide empfohlen, der in seiner PDF-Form auf nicht weniger als 320 Seiten ausführlich auf die Nutzung von Googles Smartphone eingeht. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 24.01.10)