Derzeit "sind viele Zuwanderer in Österreich unter ihrem Qualifikationsniveau beschäftigt", heißt es im Statistikjahrbuch des Integrationsfonds aus 2009. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) schätzt die Zahl der Betroffenen auf "ein paar Tausend". Der heute, Dienstag, im Ministerrat vorgelegte Nationale Aktionsplan Integration sieht vor, dass Bildungsabschlüsse und - auch informell erworbene - beruflich relevante Kenntnisse von Migranten künftig in größerem Ausmaß anerkannt werden, "um den ausbildungsadäquaten Einsatz auf dem Arbeitsmarkt und damit die entsprechende Entlohnung zu sichern".

Der Anteil an Akademikern ist unter Zuwanderern mit 18 Prozent gleich hoch wie jener der Österreicher, rund die Hälfte verfügt über eine Fachausbildung oder Matura. Sieben von zehn Migranten haben ihre Ausbildung außerhalb von Österreich abgeschlossen, doch nur 19,4 Prozent haben 2008 einen Antrag auf Anerkennung gestellt. Das begründen die Autoren des Statistikjahrbuchs mit großer zeitlicher und auch finanzieller Belastung "durch die Vielzahl an Behördenwegen", außerdem würden viele Migranten durch eine Anerkennung keine besseren Chancen auf dem Arbeitsmarkt erwarten bzw. wüssten gar nicht von dieser Möglichkeit. Zuwanderer würden zudem eher die Belastungen der Antragstellung auf sich nehmen, wenn sie aufgrund von Beratungsgesprächen von einem Erfolg ausgehen können; in der Praxis wird laut Bericht der Großteil der tatsächlichen Anträge "auch erfolgreich erledigt".

Facharbeiter häufig Hilfsarbeiter

Derzeit gebe es Regelungen für die Anerkennung nur in den reglementierten Berufen (Krankenpfleger, Arzt, Rechtsanwalt etc.), und selbst dort sei sie unbefriedigend, kritisiert Norbert Bichl von der Wiener Anerkennungs- und Weiterbildungsberatungsstelle für Migranten. Die Ausbildung werde ausschließlich auf Basis der Curricula erhoben, "aber ich kann nicht den Lehrplan von vor zehn Jahren im Ausland mit einem heutigen aus Österreich vergleichen". Berufserfahrung werde derzeit überhaupt nicht berücksichtigt. Bei geringen Unterschieden zwischen den Curricula können die Antragsteller bestimmte Prüfungen nachholen. Ist der Unterschied aber zu groß, werden geringere Qualifizierungen angegeben und etwa eine Krankenschwester mit ausländischem Diplom nur als Helferin "anerkannt".

In den nicht-reglementierten Berufen "soll das der Arbeitsmarkt selber regeln", so Bichl. Die Unternehmen seien allerdings sehr konservativ bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse. So würden häufig Facharbeiter als Hilfsarbeiter eingestellt, aber aufgrund ihrer Fähigkeiten als Facharbeiter eingesetzt. "Da ist schon die Frage, ist da die Anerkennung das Thema oder Diskriminierung?" Bei akademischen Titeln haben Migranten abseits der reglementierten Berufe nur dann ein Recht auf dessen Anerkennung ("Nostrifizierung"), wenn der potenzielle Arbeitgeber bestätigt, dass er den Bewerber sonst nicht einstellen kann oder will. "Aber welcher Arbeitgeber macht das schon?"

"Strukturen für modulare Anerkennung" gefordert

Gudrun Biffl, Integrationsexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, fordert den Aufbau von "Strukturen für modulare Anerkennung". Die österreichischen Unis seien bei Anrechnungen "nicht sehr flexibel". Hier hofft Biffl allerdings auf Verbesserungen durch die im Rahmen des Bologna-Prozesses eingeführten Diploma Supplements, in denen die Qualifikation genau und international vergleichbar ausgeführt ist. Für Studien, die in Österreich im Gegensatz zum Ausland sehr praxisnah gestaltet sind, kann sich Biffl eine Anerkennung auf Maturaniveau vorstellen; bisher muss in solchen Fällen ein Gutteil oder das gesamte Studium nachgeholt werden. So könnte ein Antragsteller etwa im Bereich Technik sein Niveau bei einem Test beweisen und Praktika nachholen und könnte dann den Titel Ingenieur einer Höheren Technischen Lehranstalt führen. Bei der Anerkennung von Lehre oder mittlerer Fachschule, wo die Ausbildung in Österreich "total auf den heimischen Arbeitsmarkt ausgelegt ist", brauche es Verfahren, bei denen die Kompetenzen abgefragt werden.

Michael Landertshammer, Leiter der Bildungsabsteilung in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) mahnte die Politik dazu, die Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen zu verbessern. "Wir würden unheimlich viel Potenzial liegen lassen, wenn wir nicht einmal den Versuch machen, diese Menschen in innovativen Bereichen einzusetzen und sie stattdessen als Tellerwäscher oder Taxifahrer arbeiten lassen." (APA)