Baker: "Da steht das Schlimmste noch bevor."

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Obama muss sich gegen den Eindruck wehren, dass er die Banken schützt. Über die neue US-Abgabe, Goldman Sachs, Ben Bernanke und den weiteren Verfall der Häuserpreise sprach Ökonom Dean Baker mit Andreas Schnauder.

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STANDARD: Welche Motive hat US-Präsident Barack Obama für die neue Bankensteuer?

Baker: Die Maßnahme ist rein politisch motiviert. Die Steuer wird rund neun Milliarden Dollar im Jahr abwerfen, bei Gewinnen des Bankensektors von 180 Milliarden. Wir sprechen also von fünf Prozent. Natürlich werden die Banken aufschreien, aber insgeheim freuen sie sich, dass sie so billig wegkommen.

STANDARD: Wozu dann das Ganze?

Baker: Es gibt in den USA eine enorme Unzufriedenheit mit den Banken. Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass die Banken massiven Schaden angerichtet haben, die Boni aber schon wieder auf Vor-Krisen-Niveau sind. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit auf einen zweistelligen Prozentsatz gestiegen. Die Leute sind verärgert. Obama hat die Bankenhilfen unterstützt. Die Leute unterscheiden nicht zwischen Konjunktur-Stimulus und Banken-Paket. Zudem war Obama sehr zurückhaltend, wenn es darum ging, den Finanzsektor anzupacken. Jetzt will er die Wahrnehmung in der Bevölkerung mit der Steuer korrigieren.

STANDARD: In den USAhalten sich Verschwörungstheorien um Goldman Sachs hartnäckig. Diese erhalten neue Nahrung durch die Rolle von Finanzminister Timothy Geithner, der als Notenbanker mit der Rettung von AIG die Investmentbanken schützte.

Baker: Das schaut wirklich schrecklich aus. AIG war pleite und zahlte dank Staatshilfe 100 Prozent auf Credit Default Swaps (ramponierte Derivate zur Absicherung von Risiken, Anm.) aus. Wenn man offene Forderungen gegenüber einer bankrotten Gesellschaft hat, darf man vielleicht mit 50 Prozent Quote rechnen, aber nicht mit 100 Prozent. AIG hat die Vorgänge damals auch nicht ordentlich offengelegt. Geithner war zu dieser Zeit Chef der New Yorker Notenbank und hat großen Erklärungsbedarf. Das schaut alles in allem sehr, sehr schlecht aus.

STANDARD: Hat sich das Umfeld der Investmentbanken durch ihre formale Umwandlung in Geschäftsbanken geändert?

Baker: Goldman Sachs und andere Investmentbanken spekulieren wie eh und je. Doch mit ihrem Status als Geschäftsbank haben sie Zugang zu Mitteln der Notenbank, die Einlagen sind zudem staatlich garantiert. Das ist sehr schwer zu rechtfertigen, spielt aber erstaunlicherweise in der politischen Debatte keine Rolle.

STANDARD: Fed-Chef Ben Bernanke gilt als erfolgreich in der Krisenbekämpfung. Wie beurteilen Sie ihn?

Baker: Für mich ist das zentrale am Entstehen der Krise die Immobilienblase. Alle anderen Faktoren wie hohe Aktienkurse oder der Höhenflug der Derivate hätten nicht einen derartigen Absturz der Wirtschaft auslösen können. Bernanke ist zwar erst 2006 zum Chef der Fed ernannt worden, doch gehörte er ihrem Board seit 2002 an. Somit trägt er Verantwortung und eine Mitschuld für die Politik der Fed und die Krise. Ihre Einstellung war:Blasen kommen und gehen - wir räumen nach dem Platzen die Teile auf. Anstatt etwas gegen die Entwicklung zu tun, heizte die Fed die Situation mit billigem Geld an. Das war ein großer Irrtum. Bernanke ist ein netter Kerl und guter Ökonom, aber so jemanden kann man nicht wieder zum Chef der Fed ernennen.

STANDARD: Apropos Häuserpreise. Wie geht es in den USA auf dem Sektor weiter?

Baker: Da steht das Schlimmste noch bevor. Es existieren riesige Überkapazitäten, die Rate der leer stehenden Objekte liegt bei zehn Prozent. Die leichte Erholung am Häusermarkt ist vor allem auf die staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zurückzuführen. Doch die neigen sich dem Ende zu. Beispielsweise läuft die Förderung von Hauskäufen mit April aus. Zudem hat die Fed hypothekarbesicherte Wertpapiere aufgekauft - damit ist es im März vorbei. Und die Zwangsversteigerungen - wir sprechen von zwei Millionen im Jahr - werden weiterhin auf die Preise drücken.

STANDARD: Wie weit bergab kann es noch gehen?

Baker: Ich rechne mit einem weiteren Preisverfall am Immobilienmarkt von 15 bis 20 Prozent in diesem Jahr. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.01.2010)