Auf dem Gipfel bietet der Top Mountain Star sternförmige futuristische Architektur und eine 360-Grad-Aussicht.Foto: Ötztal Tourismus

Foto: Ötztal Tourismus

Österreichische Nichtskifahrer haben es nicht leicht. Spaßverderberei, Unsportlichkeit und gar mangelnder Patriotismus werden einem vorgeworfen. Wer Angst vor Unfällen, stundenlangem Warten am Lift, Hüttengaudi mit zehn nackten Friseusen oder Schickimicki-Après-Ski und allgemeine Ski-Entfremdung ins Feld führt, hat sowieso verloren und bekommt es argumentativ mit schwerem Gegenfeuer zu tun. Nämlich mit den Vorzügen des Ötztals. 65 Kilometer lang, ein Zauberberg nach dem anderen, Orte wie Sölden, Obergurgl und Hochgurgl mit Pisten für alle Leistungsklassen, Hütten und Sonnenterrassen sonder Zahl, Jagatee und Aperol, Skilehrer von knackig bis knorrig, je nach Gusto. Es gäbe nichts, was das Ötztal dem Skifahrer-Herz, auch dem verzagten, nicht böte. Außerdem sei es das schneesicherste Skigebiet der Alpen, von Österreich auf alle Fälle. Einem letzten halbherzigen Abwehrmanöver, nämlich dass man sich bei eventuell schwieriger Witterungslage mangels öffentlicher Verkehrsmittel mit dem Pkw taleinwärts quälen müsse, wird mit dem Argument der ausgezeichneten und leistbaren Taxi-Dienste der Garaus gemacht. Also gut.

Der Auftakt zum Skiwochenende, die nächtliche Taxifahrt taleinwärts nach Obergurgl, kommt noch ohne Zauberberge und Postkartenschneeglitzer aus. Unsichtbar bleiben die großen drei, die Dreitausender Gaislachkogel (3058 Meter), der Tiefenbachkogl (3309 Meter) und die Schwarze Schneid (3370 Meter) mit dem Zeug zum Lieblingsbergnamen.

Dass da überhaupt Berge sind, geschweige denn dieses Kalibers, lassen nur die Lichter der Fahrzeuge ahnen, die nächtens in den Hängen der 110 präparierten Pistenkilometer ihre Arbeit tun. 35 Kilometer davon seien eh anfängertauglich, wird der Wiedereinsteiger beruhigt, der angesichts der schieren Wucht der Höhenmeter wieder ins Wanken gerät.

Dann aber: Obergurgl, erster Skitag mit Sonne über dem wuchtigen Panorama. Rauf auf den Berg, zunächst auf den Gaisberglift, eine der Anfängerwiesen im Skigebiet Obergurgl-Hochgurgl.

Die nagelneuen, geliehenen Carver vermitteln ein unangemessenes Gefühl von Könnerschaft. Also gleich noch weiter rauf - und wesentlich steiler wieder runter. Da fahren die Carver nicht mehr von alleine. Das macht aber wenig. Denn hat man ganz oben, auf dem sogenannten Top Mountain Star, einer sternförmigen futuristischen Architektur mit Restaurant und 360 Grad-Aussicht, einmal einen Platz ergattert, gibt man den nicht so schnell wieder her und tut so, als würde man geduldig warten, während die Ski-Fexen noch dreimal die schwarze Piste abfahren. Für den spektakulären Blick über die Ötztaler Alpen bis hinein in die Dolomiten würde man sogar zehn nackte Friseusen in Kauf nehmen. Auf die wird aber ohnehin verzichtet. Die Angst, völlig auf Birnenschnäpse und die dazugehörige Stimmung verzichten zu müssen, ist unbegründet. Es gibt Arnos Schirmbar mit dem kompletten einschlägigen Programm.

Zum Tee auf der Terrasse des Hotels Alpenaussicht geht es wieder in der gemäßigten Tonart weiter. Die internationale Gästeschar kommt gut auch ohne Alpen-DJs zurecht. (Bettina Stimeder/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17.1.2010)