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Dafür spricht der Applaus des Ausschusses am Ende, der stärker war als bei vielen  anderen von 20 Kandidaten bisher. Dafür sprechen einige Reaktionen aus den Fraktionen. Auch der SPÖ-Abgeordnete Hannes Swoboda - er ist als Geschäftsführer der SPE-Fraktion ein Schlüsselmann im Geschehen im Parlament - sagt über den Konservativen, dass er "ein guter Kommissar werden kann".

Man könnte einwenden, dass die Abgeordneten Hahn auch nicht besonders mit kritischen Fragen gezwickt haben. Die Befragung verlief ohne große Höhepukte, weitgehend ohne direkte Widersprüche und Emotionen. Und dass der Kandidat eher mit allgemeinen Visionen zur Bedeutung von Innovation und Ökologie in einer integrierten Wirtschaft auffiel als mit konkreten Plänen auf dem steinigen Feld der Strukturförderung.

Mit Spannung wurde auch erwartet, ob Hahn - ähnlich wie die Bulgarin Rumiana Jeleva - ins Schwitzen kommt, wenn er zu den vom Grünen Peter Pilz in Österreich kolportierten Vorwürfen zu angeblichen Steuermalversationen, Schwarzgeld bei Grundstücksverkäufen, der Firma Novomatic - seinem früheren Arbeitgeber - befragt wird (die Firma bestreitet das übrigens vehement und hat Klage angekündigt). Davon blieb wenig bis nichts übrig, die Vorwürfe verpufften, so wie auch ein versuchter Nachzieher des FPÖ-Abgeordneten Franz Obermayr dazu. Hahn bedankte sich sogar für die Anfrage, um vor dem Ausschuss festhalten zu können, dass absolut nichts gegen ihn vorliege. Die Abgeordneten hatten nichts um nachzusetzen.

Der Kandidat kann also zufrieden sein. Am Ende zählt bei Anhörungen das Ergebnis, der Gesamteindruck: Hahn erarbeitete sich meiner Einschätzung nach die Note Zwei bis Drei. Er wird damit im neuen Team von Präsident José Manuel Barroso beim Start zum besten Drittel zählen.

Ob dessen Wahl planmäßig am 26. Jänner stattfindet, ist aber derzeit noch unsicher. Die SP-Fraktion will Jeleva keinesfalls (mit)wählen, die Grünen sowieso gegen die gesamte Barroso-Kommisison stimmen, wie auch die Linke und aus Prinzip wohl die meisten EU-Gegner und Rechtsextremen. Und auch bei den Liberalen gibt es Vorbehalte gegen die Bulgarin wegen deren unklarer Besitzverhältnisse bzw. finanzieller Interessen in Zusammenhang mit einer den EU-Institutionen nicht deklarierten Firma.

Da das Plenum des Parlaments laut EU-Vertrag nur die gesamte EU-Kommission bestätigen kann, nicht aber einzelne Kommissarskandidaten per Votum abwählen kann, ist eine für Barroso ungemütliche Lage entstanden. Damit der geplante Termin am 26. Jänner hält, müsste umgehend ein Ersatzkandidat aus Bulgarien gefunden werden - die Rede ist von Verteidigungsminister Nikolaj Mladenow, einem früheren langjährigen EU-Abgeordneten. Oder Barroso müsste für Jeleva eine Ehrenerklärung abgeben, für sie seine Hand ins Feuer legen, um SPE und Liberale umzustimmen - mit dem Risiko, dass an ihm später etwas hängenbleibt, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Die Entscheidung soll demnächst fallen. Möglich, dass Jeleva zuvor ein zweites Mal zur Anhörung vor den Ausschuss treten muss.

Zurück zu Hahn. Er hat seine Anhörung nach anfänglicher Nervosität, die daran zu erkennen war, dass er ungewöhnlich laut redete wie auf einem Parteitag, geschickt angelegt. Seine Berater sagten vorher, er habe sich ganz auf Englisch auf die Materie vorbereitet, weil man annahm, dass das möglicherweise gewünscht werde. Zuletzt hat er sich dann doch dafür entschieden, den so heiklen Termin in seiner Muttersprache zu absolvieren.

Aus langjähriger Beobachtung kann man sagen: Das ist im Zweifel gescheit, weil manche unter Druck in einer Sprache, die sie nicht perfekt beherrschen, ziemlich viel Unsinn reden. Hahn absolvierte im Anschluss an die Anhörung ein kurzes Pressegespräch auf Englisch. Er spricht ganz gut, aber über volle drei Stunden im Ausschuss wäre er wohl nicht so gut rübergekommen.

Das Zweite, was Hahn offenbar gut vorbereitet hat, war, sich darauf zu konzentrieren, keine Fehler zu machen. Das ist bei Hearings wichtiger als alles andere. Fünf gute Statements fallen weniger ins Gewicht als ein Ausrutscher.

Anhörungen haben die Eigenart, dass man wirklich brillant sein muss, um einen rundum ausgezeichneten Eindruck zu hinterlassen - so wie Binnenmarktkommissar Michel Barnier gestern. Das sind die seltenen Stars.

Nicht so brillante bzw. auf dem komplexen EU-Gebiete nicht 100prozentig firme Kandidaten können sehr rasch "alt aussehen", wenn sie sich einen Fehler leisten. Hahn hat das vermieden, indem er sich auf gewisse Details der EU-Abgeordneten (die auf ihrem Detailgebiet naturgemäß ausgewiesene Experten sind) gar nicht erst einließ, zuweilen sogar offen einräumte, dass er noch nicht die Zeit gehabt habe, sich das alles zu erarbeiten - und um Nachsicht bat. Das kommt bei den Abgeordneten ganz gut an. Jeder von ihnen hat die nicht ganz unkomplizierte Lehrzeit auf EU-Ebene hinter sich und weiß, wie komplex die Dinge in Europa oft sind. Hier zählt nicht das Großmaul, sondern Wissen und Erfahrung mehr.

Das dritte, was Hahn ganz gut rüberbrachte (meinem Eindruck nach übrigens viel stärker als je in seiner Rolle als Wissenschaftsminister in Österreich): Er präsentierte sich als eloquenter Politiker, der versucht, Zusammenhänge zwischen mehreren Fachbereichen herzustellen, der die große Linie nicht aus den Augen zu verliert. So traut man ihm zu, dass er mehr sein wird als nur ein auf sein Ressort beschränkter Geldverteiler.

Man hatte streckenweise den Eindruck, dass Hahn sich jedenfalls auf dem Feld der Europäischen Politik, bei der Sachpolitik wohler zu fühlen scheint als auf dem von polemischen Streitigkeiten geprägten Boden der österreichischen Innenpolitik.

Aber die letzten 30 Minuten der Befragung zeigten auch, wie sehr ihn das alles geschlaucht hat. Drei Stunden voll konzentriert zu sein ist für die Kandidaten nicht einfach, wie manche auch zugeben. Einmal stockte Hahn, sagte, dass ihm jetzt das deutsche Wort für "housing sector" nicht einfiele, bat um Hilfe. Da merkte man, wie der Schädel schon brummt. Mehrfach musste er darum bitten, dass ein Fragesteller seine Frage wiederholt, weil er "den Faden verloren habe". Die Vorsitzende Hübner sah ihm das generös nach.

Eine interessante Frage ist auch, ob der Wiener Hahn auf Dauer mit der eher trockenen spröden Materie seiner Arbeit auf Dauer glücklich sein wird. Ein paar Mal hat er bei der Anhörung Wiener Schmäh aufblitzen lassen - aber das kam bei den Abgeordneten aus ganz Europa spürbar nicht an.