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Die Finanzwelt hat sich für Antonella Mei-Pochtler nicht geändert.

Foto: Archiv

Österreich brechen wegen der Wirtschaftsflaute die Märkte weg, weshalb Antonella Mei-Pochtler zu einer Umorientierung der Betriebe auf China, Indien und Brasilien rät. Andreas Schnauder fragte nach.

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STANDARD: Die Wachstumsprognosen sind nach dem Crash eher verhalten. Warum geht es nicht rascher bergauf?

Mei-Pochtler: Die Erholung kommt vor allem von den Maßnahmen der Regierungen. Zu viele Themen sind aber noch ungelöst: die Sanierung des Finanzsystems; die globale Nachfrage; das Verhalten zwischen Real- und Finanzwirtschaft im Marktgeschehen. Deshalb kann man nicht von einer Bewältigung der Krise sprechen.

STANDARD: Was fehlt zur Sanierung des Finanzsystems?

Mei-Pochtler: Die Banken haben ihre Ausfälle immer noch nicht deklariert. Es wird immer wieder nach Salamitaktik eine Scheibe abgeschnitten. Das Ausmaß der Kreditausfälle ist noch nicht klar - man spricht von 3,5 Billionen Dollar. Außerdem muss ein Deleveraging (Entschuldung) stattfinden. Das geht nicht von heute auf morgen. Die weltweite Nachfrage basiert zu einem Fünftel auf dem US-Konsum. Durch den Verfall der Immobilienpreise und die Einschränkung der Kreditvergabe kann dieser Teil der Nachfrage nicht so schnell zurückkommen. Die Nachfrage aus China, Indien oder Brasilien kann nicht so schnell angekurbelt werden, um diesen Rückgang in den USA zu kompensieren.

STANDARD: Warum halten die Störungen zwischen Finanz- und Realwirtschaft trotz der Hilfen für die Banken so lange an?

Mei-Pochtler: Die Banken sind sehr vorsichtig bei der Kreditvergabe und veranlagen ihr Geld an den Kapitalmärkten. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich da irgendetwas geändert hat.

STANDARD: Boston Consulting setzt in einer neuen Studie auf hohe Wachstumsraten in China, Indien und Brasilien. Wie kann Österreich auf den Zug aufspringen?

Mei-Pochtler: Österreich ist traditionell eine Zulieferwirtschaft für Deutschland. Eine verlängerte Werkbank, aber zum Teil auch eine verlängerte Entwicklungsbank. Die Expansion nach Osteuropa war sicher richtig. Aber ein wesentlicher Teil davon entfällt auf die Finanzwirtschaft. Dieser Sektor bleibt in den nächsten Jahren unter Druck. Wir werden eine sehr moderate Entwicklung in der Region haben. Das gilt auch für den produzierenden Bereich, weil die Nachfrage in Osteuropa schwach bleiben wird. Woher soll das verfügbare Einkommen kommen? Ein Großteil war bisher kreditfinanziert durch die österreichischen Banken. Zum Teil noch in Fremdwährung. Das muss erst einmal abgezahlt werden. Osteuropa kann kein primärer Markt für Österreich sein.

STANDARD: Was bedeutet das für die österreichischen Betriebe?

Mei-Pochtler: Wir müssen uns umorientieren. Vor allem auf Brasilien, China und Indien (BIC). Russland muss erst einmal die Krise verkraften, das Land hatte ja den größten Absturz in der Welt. Chancen sehe ich vor allem in der Infrastruktur - beispielsweise Eisenbahntechnologie - und in der Umwelttechnik. Die Wachstumstiger aus diesen Märkten - wir nennen sie Global Challenger - könnten als sehr interessante Kooperationspartner für die österreichische Industrie fungieren.

STANDARD: Wie sind die österreichischen Betriebe in diesen Märkten aufgestellt?

Mei-Pochtler: Nicht besonders gut. In China, Indien oder Brasilien sind deutsche, französische oder amerikanische Konkurrenten sicher besser aufgestellt. Das Interesse der österreichischen Industrie erscheint mir ziemlich gering. Man muss gestandene Beziehungen in diese Regionen haben. Man kann nicht glauben, dass man die jetzt sofort aufbaut, weil man die Märkte gerade benötigt. Deshalb ist die Konzentration auf Sektoren, in denen wir einen Wettbewerbsvorteil haben, so wichtig. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.1.2010)