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Christliche Demonstranten während der Zusammenstöße mit der Polizei nach dem Anschlag.

Foto: Epa

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Der koptische Papst von Ägypten, Shenouda III. bei der Christmette in der Kathedrale von St. Markus in Kairo am Mittwoch.

Foto: Epa/Khaled El-Fiqi

Die Bluttat nach der Weihnachtsmesse dürfte ein Racheakt sein.

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Am Donnerstag feierten die koptischen Christen in Ägypten ihr orthodoxes Weihnachtsfest. In Nagga Hammadi, 65 Kilometer nördlich von Luxor, stand es im Zeichen der schlimmsten religiösen Gewalt seit Jahren. Aus einem fahrenden Auto feuerten Angreifer mit Maschinengewehren auf Kopten, die nach der Mitternachtsmesse aus der Kirche kamen. Acht Gläubige und ein Sicherheitsbeamter kamen ums Leben, acht weitere Passanten wurden verletzt. Am Donnerstag demonstrierten 3000 aufgebrachte Kopten während der Beerdigungen gegen den ihrer Meinung unzureichenden Schutz durch die Polizei.

Die Spannungen zwischen Christen und Muslimen in dieser Region schwelen seit Anfang November, als ein muslimisches Mädchen von einem Kopten vergewaltigt wurde. Die Polizei geht deshalb davon aus, dass es sich bei dem Anschlag, um einen Racheakt handelt. Der örtliche Bischof hatte zuvor bereits mehrmals Drohungen erhalten. Die Provinz Qena, zu der Nagga Hammadi gehört, ist eine der ärmsten Regionen des Nillandes.

Verhältnis verschlechtert

Das Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheit und der etwa zehnprozentigen christlichen Minderheit in Ägypten hat sich in den letzten Jahren zusehends verschlechtert. Der koptische Soziologe Samir Morqos spricht von intensiven Spannungen in den mittleren und unteren Schichten. Die Zunahme der religiösen Gewalt sei unter diesen Umständen nur natürlich, arme Leute ohne Hoffnung würden gewaltbereit denken und handeln, sagt der Schriftsteller Joussef Ziedan. In den Sonntagsreden der Regierenden wird das Verhältnis zwischen Muslimen und Kopten dagegen schöngefärbt und die Probleme als isolierte Ereignisse unter den Teppich gekehrt.

Die Kopten in Ägypten sind Arbeiter, Bauern, Handwerker, Freiberufler und reiche Geschäftsleute. Die zunehmende Islamisierung - hunderttausende Ägypter haben in Saudi-Arabien gearbeitet und dessen intolerante Form des Islam mitgebracht - macht allen zu schaffen. Der Staat verschlimmert die Lage, indem er sich aus vielen Bereichen zurückzieht und damit Millionen Ägypter zwingt, sich für Schulen oder medizinische Versorgung an die Moschee oder die Kirche zu wenden.

Unterstützt durch eigene Radio- und Fernsehsender versuchen seit einigen Jahren beide Glaubensgemeinschaften eine theologische und ideologische Überlegenheit zu kreieren. Mit dem Resultat, dass die religiöse Polarisierung der Gesellschaft zunimmt und jeder Alltagskonflikt, sei es um Land, Wasser oder einen Kaufvertrag, zu einem Religionskrieg ausartet. Oberägypten ist heute noch vom Stammesrecht, also auch der Blutrache, geprägt. Morqos denkt deshalb, dass die "koptische Frage" nur im Zusammenhang mit dem Aufbau eines echten Bürgerstaates gelöst werden kann. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, Printausgabe 8.1.2010)