Die Justiz ist überlastet. Das zeigen nicht nur die Akten, die sich auf den richterlichen Schreibtischen türmen, sondern auch der wiederholte Hilferuf nach mehr Personal. Maßnahmen sollen folgen.

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Werner Zinkl hofft auf Personal.

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Gabriele Heinisch-Hosek blockt ab.

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Wien - Werner Zinkl war schon 2004 dabei, als sich Richter und Staatsanwälte wegen akuter Personalnot zum Warnstreik zusammenfanden. Heute ist Zinkl Präsident der Richtervereinigung und spricht von "Maßnahmen", die gesetzt würden, wenn im Justizbereich alles bleibt, wie es ist - oder noch schlimmer: wenn wie vorgesehen noch weitere 167 Planstellen gestrichen würden.

Das Wort Streik will Zinkl im STANDARD-Gespräch noch nicht in den Mund nehmen, aber: "Wir befinden uns bereits in dieser Phase", wo Aktionen gesetzt werden müssten.

Minutiöser Zeitplan

Ein Hilferuf, wie ihn die Richtervereinigung regelmäßig ausstößt. Doch jetzt mit einer entscheidenden Veränderung: Erstmals hat das Beratungsunternehmen Deloitte anhand von minutengenauen Aufzeichnungen von rund 800 Richtern und Staatsanwälten erhoben, wie hoch deren Arbeitsaufwand pro Fall ist. Und diese nach Zivilrecht, Strafrecht, Exekutionsrecht und anderen Sparten aufgesplitteten Werte wurden auf einen Planstellenbedarf umgelegt. Das Ergebnis: 180 fehlende Richter, 45 Staatsanwälte zu wenig.

Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) stellt eine andere Rechnung an. Und die geht so: Wenn rund 50 Richter im Justizministerium allein für Verwaltungsaufgaben zuständig sind und gleichzeitig bei großen Wirtschaftsprozessen, wie etwa jenem der Hypo Group Alpe Adria, richterliches Personal fehlt, dann sollen jene Richter aus dem Ministerium einfach zu den akuten Baustellen umgeschichtet werden.

Richtervereinigung: "Anschlag auf den Rechtsstaat"

Für Zinkl ist schon die Angabe dieser Rechnung fehlerhaft: Erstens seien nur acht Personen im Ministerium für Planung und Zubauten zuständig, und auch diese "sitzen ja nicht herum und tun nichts". Und zweitens: "Richter sind nicht nur weisungsfrei, sondern auch unversetzbar." Sollte die Beamtenministerin daran denken, die Posten im Ministerium mit Verwaltungsbeamten nachzubesetzen, kündigt Zinkl Widerstand an: "Das gehört zur Unabhängigkeit der Justiz, dass sie sich selbst verwaltet. Damit wird die Macht der Politik beschränkt, weil sie sich eben nicht einfach die Mitarbeiter aussuchen kann, die im Ministerium sitzen."

Heinisch-Hoseks Vorschlag, Wirtschaftsjuristen zur Bewältigung komplexer Verfahren zeitlich befristet anzustellen, legt Zinkl besonders negativ aus: "Ich kann einen Leiharbeiter keine richterliche Tätigkeit machen lassen. Das ist eine absurde Idee, die einen Anschlag auf den Rechtsstaat darstellt. Da verkennt die Ministerin das System."

Heinisch-Hosek will weiter Stellenplan "aufschnüren"

So sei das freilich nicht geplant, heißt es aus dem Büro von Heinisch-Hosek. Die Justiz selbst habe diesen Zukauf von Beratung schon lange gefordert. Das sei jetzt seit 1. Jänner möglich. Einziges Angebot darüber hinaus: ein runder Tisch mit Kanzler, Vizekanzler und Justizministerin. Aber keine neuen Posten: "Wir haben keinen klaren Auftrag, den Stellenplan aufzuschnüren", sagt Sprecherin Dagmar Strobl.

Zinkl sagt, Justizministerin Claudia Bandion-Ortner habe ihm bereits von "positiven Signalen" des Finanzministers berichtet. Auf Nachfrage des STANDARD wiegelt man hingegen ab. Es gebe zwar laufend Gespräche, auch einem runden Tisch stehe man - anders als dem "naiven" Problemlösungsversuch Heinisch-Hoseks, Personal aus dem Ministerium umzuschichten - "positiv gegenüber". Aber mehr könne man den Richtern auch am 14. Jänner nicht versprechen, wenn diese zum Krisengespräch antreten.

Justiz braucht mehr Personal

Kanzler und Vizekanzler lassen den Ball derzeit bei der Beamtenministerin. "So redet sich einer auf den anderen aus" , sagt Zinkl und hofft trotzdem: "Die Regierung muss auf die Zunahme der Großverfahren reagieren. Wenn Epidemien mehr Kranke bringen, muss man ja auch mehr Ärzte anstellen." (Karin Moser/DER STANDARD-Printausgabe, 7.1.2010)