Neuer kaufmännischer Direktor des ORF: Richard Grasl

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STANDARD: An Ihrem Wahltag zum Finanzdirektor des ORF haben die Redakteurssprecher der ZiB's ausgeschickt: "Was heute passiert, ist ein Rückschritt in die finstersten Zeiten parteipolitischer Postenbesetzung in der ORF-Geschäftsführung." Und: "Ein schwarzer Tag für die Unabhängigkeit des ORF."

Grasl: Gewisse Funktionen brauchen hatl eine bestimmte Rhetorik. Im übrigen: Der Redakteurssprecher hat danach erklärt, der Protest richte sich nicht gegen meine Person.  Warum sollte ich mich daher betroffen fühlen?  Insbesondere, weil mich 33 von 35 Stiftungsräten über alle Fraktionen hinweg gewählt haben, darunter auch alle Betriebsräte. Ich habe seither aus dem Haus, aus den Redaktionen, auch aus dem Aktuellen Dienst so viel positives Feedback, von leistungsbereiten Redakteuren, die gutes Programm machen wollen. Sie begrüßen, dass hier einer sitzt, der das Programm kennt.

STANDARD: Soll heißen: Protestiert haben die nicht Leistungsbereiten?

Grasl: Nein, soll es überhaupt nicht.

STANDARD: Haben Sie die Stiftungsräte Franz Küberl (Caritas) und Andreas Braun (Tirol) gefragt, warum sie sich bei Ihrer Wahl der Stimme enthalten haben?

Grasl: Nein. Braun war bei meinem Hearing und bei der Abstimmung nicht mehr da. Küberl kam nachher zu mir und sagte, er würde sich über ein Gespräch im Jänner freuen.

STANDARD: Der Redakteurssprecher hat gesagt, es gehe nicht um Ihre Person. In dem Protestschreiben steht aber sehr wohl: "Die ÖVP setzt im Abtausch gegen die Zustimmung zur Teilrefundierung der Gebührenbefreiung eine Person ihres Vertrauens in die ORF-Geschäftsführung. Als politisches Gegengewicht zum SPÖ-nahen Generaldirektor."

Grasl: Ich halte die Junktimierung meiner Wahl mit den 160 Millionen Gebührenrefundierung an den ORF für medial sehr gut herbeigeschrieben, aber realpolitisch ausgeschlossen. Der ORF hätte die ihm zustehende Refundierung sicher auch bekommen, wenn der Kaufmännische Direktor nicht Richard Grasl geheißen hätte. Abgesehen davon: Noch hat er sie ja nicht, das Gesetz ist noch nicht beschlossen.

STANDARD: Sissy Mayerhoffer hat die Finanzdirektion wenige Stunden nach der Zustimmung der ÖVP zur Refundierung geräumt - für Sie.

Grasl: Ich halte für besonders wichtig, dass sie bis dahin im Team geblieben ist. Das Zustandekommen des Gesetzes und die Sparverhandlungen mit dem Betriebsrat hätte ein früherer Wechsel gestört.

STANDARD: Die Redakteure sagen: Dass die Gebührenrefundierung auf vier Jahre befristet ist, "lässt neuerliche politische Erpressungen erwarten".

Grasl: Dass sie vorerst bis 2013 geht, heißt ja nicht, dass sie danach nicht weitergeht. Die Refundierung ist einfach fair, sie steht uns zu. Die Republik ersetzt ja auch den Museen kostenlosen Eintritt von Jugendlichen.

STANDARD: Was sagen Sie den Redakteuren, die da schreiben: "Die Information wird von der Geschäftsführung nicht mehr als öffentlich-rechtlicher Kernbereich wahrgenommen, der die Gebühren legitimiert. Sondern als personell überbesetzte Abteilung, in der noch viel Sparpotential vorhanden ist." Und: "Die journalistische Freiheit ist aktuell auch durch den Sparkurs im ORF bedroht."

Grasl: Der Satz hat mich gewundert. Ich habe schon im Stiftungsrat erklärt, dass Strukturen und Bürokratie im ORF möglichst schlank werden müssen, um möglichst viel Geld ins Programm, in die Redaktionen zu bringen. Wir haben aber inzwischen ein Gespräch geführt, für mich ist die Sache ausgeräumt.

STANDARD: Woher soll das Geld kommen, das Sie ins Programm pumpen wollen?

Grasl: Nach dem Abbau von 400 Mitarbeitern, durch Pensionierungen und Golden Handshakes, muss man personelle Schieflagen zwischen den Abteilungen wieder ausgleichen. Punkt 2: Viele Abläufe sind vor Jahren, Jahrzehnten im ORF gewachsen. Aber die Medienwelt hat sich verändert, sie ist digital, trimedial, und so muss man heute arbeiten. Wir haben mancherort Doppelgleisigkeiten im Unternehmen. Können sich mehr Mitarbeiter für Eigenproduktionen freispielen, spart das Geld bei Fremdaufträgen.

STANDARD: Sie kommen aus einem der ORF-Landesstudios. Dort sind die Überlegungen für Journalisten, die zugleich die Kamera halten, offenbar am weitesten.

Grasl: Das sind bisher Pilotprojekte. Wir haben auch in der Zentrale schon Beispiele. In der Religion etwa, oder bei der Auslandsberichterstattung. Man muss für den konkreten Anwendungsfall die besten Modelle finden. Und mit dem Betriebsrat neue Arbeitsbilder finden.

STANDARD: Arbeitsbild, das ist ein ORF-Vokabel, in dem die Bürokratie dieses Hauses in all ihrer Pracht durchklingt: Was ORF-ler tun, muss in einem Arbeitsbild stehen, das nicht nur der Betriebsrat, sondern sogar der Stiftungsrat absegnen muss.

Grasl: Das klingt sehr bürokratisch, hat aber einen ernsten Hintergrund: Es soll verhindern, dass man über die Belegschaft drüberfährt. Aber es stimmt schon: Die Medienwelt ist so schnell geworden, man muss in dieser Geschwindigkeit mithalten.

STANDARD:  Das heißt, man kann sich vielleicht in Zukunft nicht mehr jedes einzelne Arbeitsbild durchgenehmigen lassen?

Grasl: Das ist sicher ein spannendes Thema.

STANDARD: Wenn wir schon bei Strukturen sind: Der technische Produktionsbetrieb Fernsehen soll nach unseren Informationen wieder von der Technischen Direktion zum Programm wechseln. Wäre das sinnvoll?

Grasl: Also diese Information kann ich nicht bestätigen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile. Wenn wir alle den Grundsatz der Sparsamkeit leben, ist es von der Struktur her egal.

>>> Grasl über Landesstudios, Hunde und den Posten des Generaldirektors

STANDARD: Warum hat ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz eigentlich Richard Grasl, den Chefredakteur des ORF Niederösterreich, zum Finanzdirektor des ORF nominiert? Hat er Ihnen das einmal begründet?

Grasl: Ich habe mit dem Generaldirektor insgesamt schon seit vielen Jahren ein sehr positives menschliches Verhältnis, eine Vertrauensbasis. Wir haben uns ein paar Mal getroffen und Gedanken ausgetauscht. Als klar wurde, dass es in der Finanzdirektion möglicherweise zu einem Wechsel kommt, Hhat er mir gesagt, dass er es prinzipiell für sehr sinnvoll hält, wenn jemand mit wirtschaftlichem Background, aber auch Programmkenntnis diese Funktion übernimmt. Und jemand, der das Unternehmen von der Zentrale wie von den Landesstudios her kennt. Abgesehen vom guten persönlichen und inhaltlichen Verständnis. Wir sind bald draufgekommen, dass wir in vielen Dingen einer Meinung sind.

STANDARD: Aber Wrabetz ließ im Februar 2009 verlauten: "Wahr ist, dass acht ORF-Landesstudios hervorragende, vollkommen unbestrittene objektive Arbeit in der politischen Berichterstattung leisten. Nur weil es in einem Bundesland öffentliche Diskussionen gibt, ist es unzulässig, die Arbeit der anderen Landestudios pauschal herunter zu machen. Und auch in jenem Bundesland, wo es Vorwürfe gibt, bemühen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um guten Journalismus."

Grasl: Wenn er Niederösterreich gemeint hätte, wäre das vielleicht schwierig. Er hat nicht bestritten, dass es in dem einen so ist, sondern nur, dass es eine Diskussion darüber gibt. Es war nicht immer so, aber gerade in dieser Phase hat es über Niederösterreich keine Diskussionen Gegeben, zumal der Marktanteil von "NÖ Heute" von 47 auf 51 Prozent gestiegen ist. Mir hat der Generaldirektor in einem Gespräch gesagt, dass er uns damit nicht gemeint hat. Die Geschichte ist ausgeredet und damit erledigt.

STANDARD: Sie haben als Chefredakteur ein Landesstudio geführt ...

Grasl: Den Aktuellen Dienst, Direktor Gollinger führt das Landesstudio. Zweite wichtige Säule neben der Information ist der Programmchef.

STANDARD:  Braucht man den Landesdirektor überhaupt?

Grasl: Auf jeden Fall. Ein Journalist leitet den Aktuellen Dienst, ein Programmchef leitet Musik, Service, den Programmfluss im Radio. Es gibt einen Marketingchef und einen kaufmännischen Leiter, und auch die beiden sind notwendig. Das Landesstudio muss sich auch im Land vermarkten können, auf Veranstaltungen auftreten, Plakate, Inserate. Der kaufmännische Leiter muss auf die Finanzen achten. Und ein technischer Leiter ist für die gesamte technische Ausstattung verantwortlich. Die fünf Abteilungsleiter brauchen natürlich einen Chef, der auf das Ganze schaut. Der technische Leiter und ich waren zum Beispiel nicht immer einer Meinung. Und natürlich braucht der Generaldirektor einen Ansprechpartner für die Führung der Landesstudios.

STANDARD: Sie meinen also, an den Landesstudios ist strukturell nicht mehr viel einzusparen?

Grasl: Die Landesstudios sind sehr schlank aufgestellt Und man könnte andenken, sie mehr ins Programm einzubinden. Mehr Sendungen aus den Ländern machen. "Bundesland Heute" ist fast tagtäglich die meistgesehene Sendung im ORF.

STANDARD: Erst wurden Sie lange als Info- oder Fernsehdirektor des ORF gehandelt, nun als Kaufmännischer Direktor. Das erweckt den Eindruck: Egal welcher Bereich, der Mann muss als Direktor auf den Küniglberg.

Grasl: Ich bin vom Generaldirektor ausschließlich auf die Funktion des Kaufmännischen Direktors angesprochen worden, und dafür habe ich mich dann auch beworben. Alles andere war eine mediale Darstellung. Ich bin persönlich nie ernsthaft für eine andere Funktion angeredet oder ins Gespräch gebracht worden.

STANDARD: Infodirektor hätte vielleicht fast besser gepasst.

Grasl: Finden Sie? Andererseits habe ich auch eine kaufmännische Ausbildung. Die kaufmännische Direktion sehe ich in dieser Phase des Unternehmens extrem wichtig und spannend.

STANDARD: In Ihrem Lebenslauf steht St. Gallen, was war das genau?

Grasl: Ich habe zwei Jahre bei einer Unternehmensberatung in St. Gallen gearbeitet.

STANDARD:  Wieviel Macht hat eigentlich ein Kaufmännischer ORF-Direktor, zudem ein heute weisungsgebundener.

Grasl: Wenn man im Team einer Geschäftsführung arbeitet, halte ich Macht für kein angebrachtes Wort. Man soll seinen Job gut machen, Zahlen so aufbereiten, dass Entscheidungsgrundlagen daliegen, auf Einsparungspotenziale wie Investitionsbedarf hinweisen. Ich will nicht Macht über oder gegen oder mit jemandem ausüben in dieser Funktion. Ich sehe das als Team, insbesondere meine Beziehung zum Generaldirektor. Macht kommt aus einer Managementzeit der Sechziger- und Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. In einem Unternehmen wie dem ORF, mit sovielen Individuen, sovielen Freigeistern, ist der Begriff der Macht völlig falsch. Überzeugen soll man! Und da hoffe ich, dass ich gute Argumente liefern kann.

STANDARD: Haben Sie einen Hund? Zum Ausgleich, nach dem beliebten österreichischen Medienmachermotto: Statt Macht auszuüben, streichle ich lieber einen Hund.

Grasl: Ja, haben wir. Unser Hund ist antiautoritär erzogen. Nie schimpfen, nur loben, wenn er etwas richtig gemacht hat.

STANDARD: Sind Sie der Dominic Heinzl der Familie Pröll?

Grasl (lacht): Wieder eine neue Punze!

STANDARD: Ich meine die Heilserwartungen: Wrabetz erwartet von Heinzl, dass er die Quoten von ORF 1 rettet, die ÖVP, vor allem die niederösterreichische, erwartet von Ihnen Einfluss, eine Hausmacht im ORF. Unser Mann auf dem Küniglberg, quasi.

Grasl: Haben sie Ihnen das gesagt?

STANDARD: Haben sie's Ihnen gesagt? Es dürfte jedenfalls ihre Rolle hier sein. Sehen Sie das nicht so?

Grasl: Nein, überhaupt nicht.

STANDARD: Wir dürfen ans Modell Wrabetz erinnern: Nach zwei Amtszeiten als Kaufmännischer Direktor schaffte er es 2006 in die Generaldirektion.

Grasl: Diese Spekulation läuft ohne mich. Ich sehe mich als engagierten kaufmännischen Direktor und werde sicher kein Gegenkandidat von Wrabetz sein.

STANDARD:  Aber Sie werden mir jetzt nicht sagen: "ORF-General ist ein Job, den ich auf keinen Fall ausüben will."

Grasl: Nein, aber ich habe noch nie in meinem Leben gesagt, ich will auf eine bestimmte Position hinarbeiten.

STANDARD: Vielleicht nicht gesagt, aber getan: jüngster Betriebsratschef eines Landesstudios, jüngster Chefredakteur eines Landesstudios, einer der jüngsten ORF-Direktoren ...

Grasl: Ich will meinen Job möglichst gut machen. Das ist seit 1. Jänner Kaufmännischer Direktor des ORF. Das "Modell Wrabetz" ist übrigens bisher einmalig in der Geschichte des ORF. Er war bisher der erste und einzige kaufmännische Direktor, der nachher Generaldirektor wurde. Sie sehen also, für jede Theorie fndet man seine konstruierten Beispeile, wenn man möchte.

STANDARD: Und auch deklarierte Kronprinzen haben schon ewig auf den Thron gewartet.

Grasl: Ich mag auch diese Klassifizierungen nicht. Ich bin hier jetzt für die Finanzen verantwortlich und werde dem Generaldirektor möglichst viele gute Entscheidungsgrundlagen liefern, damit wir unser Unternehmen so gut wie möglich führen können.

STANDARD: Die Redakteure sehen Sie als schwarzes "Gegengewicht" zum roten General.

Grasl: In dieser Situtation des Unternehmens kann es kein "gegen" geben: Wir müssen alle zusammenhalten, alle an einem Strang ziehen, ich werde das jedenfalls tun.

STANDARD: Man könnte natürlich auch an Strängen ziehen, die andere um den Hals tragen.

Grasl: Das ist vielleicht Ihre Diktion, aber nicht meine Vorstellung. Ich wehre mich gegen so eine Bildsprache!. Ich werde mit allen im Haus zusammenarbeiten, mit Geschäftsführung, Direktoren, Betriebsrat, Hauptabteilungsleitern, Redakteurssprechern versuchen, das Beste für das Unternehmen herauszuziehen. Klar ist aber, dass Zusammenarbeit keine Einbahnstraße ist.

>>> Grasl über den Küniglberg, Fußball und Skifahren

STANDARD: Eine zentrale Strukturfrage für den ORF ist: Bleibt er auf dem Küniglberg, im Funkhaus, im Ö3-Haus, oder zieht er in ein neues ORF-Zentrum. Was fänden Sie sinnvoll?

Grasl: Ein Umzug würde uns natürlich zwingen, so grundlegend über die Strukturen nachzudenken, dass wir das Unternehmen organisatorisch neu aufbauen. Aber dafür brauchen wir keinen Umzug. Dafür muss man nicht über Räume nachdenken, dafür reichen Organisationsfragen, Mut und entschlossenes Handeln.  Ein Umzug würde mit 2016 oder 2017 vollzogen. Soviel Zeit haben wir nicht, das Unternehmen neu zu strukturieren. Der wirtschaftliche Druck zwingt uns ohnehin dazu. Der Generaldirektor hat mich mit einem solchen Strukturkonzept beauftragt. Die Fragen müssen wir in den nächsten zwölf bis 18 Monaten stellen. Dann müssen wir uns fragen, was brauchen wir 2014, 2015 an Räumlichkeiten, an Workflows. Dann kann man sagen: Es macht Sinn umzuziehen oder nicht.

STANDARD: Der Generaldirektor hat für das erste Halbjahr 2010 eine grundsätzliche Entscheidung darüber angekündigt - wie allerdings schon öfter in den vergangenen Jahren.

Grasl: Vielleicht geht es schneller. Ich bin für: so rasch wie möglich. Aber eine so weitreichende Entscheidung für das Unternehmen will schon gut durchdacht und durchgeplant sein. Auf ein Monat oder Quartal kann es da aber nicht ankommen.

STANDARD: Wenn Sie den ORF neu erfinden könnten, auf die grüne Wiese stellen: Wie sähe der aus?

Grasl: Dafür muss man sich mit den Verantwortlichen im Haus, mit den Redakteuren, den Mitarbeitern zusammensetzen. Wichtig ist: Wenn wir uns neu strukturieren, müssen wir uns massiv auf die Kernaufgaben konzentrieren und reduzieren. Was nicht unsere Kernaufgabe ist, müssen wir künftig auf dem Markt zukaufen. Unsere Kernaufgabe sind ganz klar die im ORF-Gesetz niedergelegten Programmaufträge. Dazu die dann nötigen Verwaltungseinheiten. Welche Synergien wir dann zwischen den einzelnen Abteilungen, Redaktionen, Medien dann haben, muss man mit den Kollegen besprechen. Es gibt da schon sehr gute Beispiele etwa in Nordeuropa, die neue Zentralen gebaut haben.

STANDARD: Der dänische Rundfunk zum Beispiel hat einen gemeinsamen Newsroom für TV, Radio, Internet.

Grasl: Zum Beispiel.

STANDARD: Dort ist der Generaldirektor über den Neubau gestolpert.

Grasl: Das war nicht gemeint. Ich kenne den Fall nicht im Detail, aber möglicherweise sind dort die Baukosten ...

STANDARD:  ... aus dem Ruder gelaufen, genau. Konzentriert sich der ORF auf Kernaufgaben, ist etwa die Technik nicht mehr unbedingt an Bord, entnehme ich Ihrem Szenario.

Grasl: Natürlich ist Technik eine Kernaufgabe. Wir können noch soviele Redakteure haben, ohne Technik kommen wir nicht zum Zuschauer. Die Frage lautet wie in allen Bereichen: Wie müssen wir uns aufstellen, um möglichst kostengünstig aber ohne Qualitätsverlust zu produzieren?  

STANDARD: Schon ausgelagert sind die ORF-Sender, in die ORS. Halten Sie deren Versuche, international zu expandieren, für sinnvoll? In Bulgarien will und will es ja nicht klappen, Rumänien gilt als nächstes Ziel.

Grasl: Ich glaube, dass diese Möglichkeit auch rechtlich nicht ganz klar war. Wenn wir uns in diesem Bereich bewegen dürfen, dann sollten wir es tun. Wenn die ORF ORS einen vernünftigen Businessplan für Beteiligung oder Übernahme eines ausländischen Sendernetzes vorlegt und das der Konzernmutter hilft, andere Kosten abzudecken, und das Risiko stimmt, ist das sinnvoll.

STANDARD: Immer wieder Thema war, ob der ORF die Mehrheit an der Sendertochter ORS Raiffeisen abgeben soll.

Grasl: Keine Pläne dafür.

STANDARD:  Sind Sie Fußballfan?

Grasl: Ja, Austria Wien.

STANDARD: Soll sich der ORF mit zwölf Livespielen statt bisher 36 bescheiden, wie der Abosender Sky das gerade mit der österreichischen Bundesliga vorhat?

Grasl: Der Informationsdirektor ist da gerade in komplexen Verhandlungen mit der Bundesliga. Da möchte ich nichts über die Medien ausrichten. Ich glaube, für die Bundesliga, für den ORF und vor allem für die tausenden Fußball-Fans wäre gut, wenn die Liga im ORF wäre. Dass das nicht zu allen Bedingungen - preislich wie inhaltlich - geht, ist auch klar. Als Fußballfan: Bei den zwölf Spielen müsste zumindest klar sein, dass wir entscheiden können, welche Spiele wir zeigen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir ein anderes Spiel zeigen, wenn etwa Rapid gegen die Wiener Austria antritt.

STANDARD:  Können Richard Grasl und Alexander Wrabetz finanziell mit Rupert Murdoch mithalten, dem Haupteigentümer von Sky?

Grasl: Dahinter steckt die Frage: Wie sehr kann ein öffentlich-rechtlicher Sender mit Gebührengeld noch um die immer teureren Sportrechte mitbieten? Die Rundfunk-Gebühren sind für eine Grundversorgung der Bevölkerung mit öffentlich-rechtlichem Programm da. Mit extremen Ausreißern kann man nicht die Kostenstruktur massiv durcheinanderbringen. Das ist für Öffentlich-Rechtliche irgendwann nicht mehr machbar.

STANDARD:  Also Massensport nicht mehr um jeden Preis im ORF.

Grasl: Nicht um jeden Preis, aber soweit wie möglich. Skisport unbedingt, das ist aus österreichischer öffentlich-rechtlicher Sicht klar. Aber es wird Rechte geben, die den Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags überschreiten. Es wäre den Gebührenzahlern gegenüber unfair, einen großen Brocken ihrer Gebühren für Special Interest auszugeben. Nicht jeden interessiert Fußball, und nicht jeden interessiert Sport. In den letzten Jahren ist es, glaube ich, auch ganz gut gelungen, das auszutarieren.

STANDARD:  Aber Skisport komplett?

Grasl: Im Skisport ist Österreich so erfolgreich, zugleich ist Skisport als Programm so erfolgreich, dass es da sicher sehr starke Bemühungen geben wird.

>>> Grasl über Armin Wolf, schwarze Null und weiße Elefanten

STANDARD: Dem Küniglberg steht ein neues ORF-Gesetz ins Haus. Könnten Sie es formulieren, was stünde drin - soweit es nicht ohnehin mit tatkräftiger Hilfe des ORF formuliert wurde?

Grasl: Ich glaube, das Gesetz bringt für den ORF sehr viele positive Dinge, etwa die Gebührenrefundierung, die Klarstellungen, was wir im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Auftrags dürfen. Die Einflussmöglichkeit der Medienbehörde geht mir, auch als Journalist, zu weit. Darüber wollen wir in den nächsten Wochen sicher noch mit der Politik diskutieren und sie überzeugen, dass es da andere Lösungen geben kann. Der Sinn ist klar: Es muss geprüft werden, ob ein gebührenfinanzierter Sender auch das macht, was er tun darf. Aber ob das nicht mit anderen Methoden, anderen Instrumenten anders zu regeln wäre ...

STANDARD:  Wie?

Grasl: Ich möchte in dieser Verhandlungsphase keine Vorschläge über Medien ausrichten. Aber da gibt es vielleicht Modelle, die bei enger Rechtsauslegung der Medienbehörde nicht die Juristen zu Programm-Machern werden lassen.

STANDARD:  Das Gesetz verpflichtet den ORF zu einem gebührenfinanzierten Info- und Kulturkanal, der das kommerzielle TW1 ersetzen soll. Wird sich auch der Infokanal die Frequenz mit ORF Sport Plus teilen müssen?

Grasl: Wir haben ein Jahr Zeit, den Spartenkanal aufzubauen. Da wird man sich anschauen, ob das sinnvoll ist. Ich glaube, dass der ORF Randsportarten zeigen soll.

STANDARD: Sie treten in einer relativ komfortablen Situation an. Das Sparkonzept für 2010 mussten schon Wrabetz und Vorgängerin Sissy Mayerhoffer austüfteln und ausverhandeln. Dazu bekommen Sie 2010 50 Gebührenmillionen extra mit auf den Weg. Klingt nach einer gemähten Wiese.

Grasl: Nein. Wir müssen trotzdem in allen Bereichen weiter sparen und das Ziel der schwarzen Null 2010 erreichen. Wir müssen mit der Restrukturierung beginnen und nachhaltig verhindern, dass die Kostenschere aufgeht. Es geht um ein strukturell finanziell gesundes Unternehmen. Mein Ziel wäre, einen Teil der 50 Millionen nicht nur für Programmvorhaben herzunehmen, sondern damit auch Restrukturierungen einzuleiten, die vielleicht zunächst Geld kosten, aber nachhaltig mehr Geld sparen.

STANDARD: Der Entwurf zum ORF-Gesetz schreibt das ohnehin vor. Wie zum Beispiel?

Grasl: Wenn man über die Rechte von Mitarbeitern oder auch Handshake-Programme redet, dann kostet das zunächst einmal Geld, weil man Abfertigungen zahlen muss. Aber das würde nachhaltig zu einer Reduktion der Kostenbasis geführt.

STANDARD: Was haben Sie am 17. Mai 2006 gemacht?

Grasl: Leider, keine Erinnerung, was da war.

STANDARD: Armin Wolfs Rede zum Hochner-Preis, in der er politische Schlagseite der ORF-Chefredaktion anprangerte. Konnten Sie sich mit seiner Rede identifizieren?

Grasl: Ich kann mich weniger an die Rede erinnern, als an ihre Konsequenzen. Mir ist in Erinnerung, dass Armin Wolf dort eine Lanze gebrochen hat für unabhängigen Journalismus in Österreich und im ORF, das unterschreibe ich natürlich sofort. Ohne jetzt einzelne Sätze unterschreiben zu wollen.

STANDARD: Er hat damals konstatiert: Vom Gleichgewicht des Schreckens der großen Koalitionen im ORF sei nur noch der Schrecken übrig, nämlich die Ausrichtung an der damaligen Kanzlerpartei ÖVP.

Grasl: Schreck sollte für einen Journalisten keine Kategorie sein. Ich glaube, dass die Journalisten des ORF völlig unabhängig arbeiten können. Das freut mich, denn das ist eine unserer ganz großen Stärken. Und ja damals wie jetzt gesetzlich garantiert.

STANDARD: Armin Wolf ist gerade in Karenz und studiert kreative Führung in Berlin. Ich weiß nicht, was er damit anstellen will ...

Grasl: Hoffentlich nichts anstellen.

STANDARD: Wäre er ein Kandidat für Führungsaufgaben im ORF? Vielleicht Infodirektor? Oder gar Generaldirektor? Wäre bestimmt ein originelles Match: Grasl gegen Wolf.

Grasl: Also jetzt wird es lustig, wenn wir gemeinsam anfangen  zu interpretieren, warum ein Dritter, der gar nicht da sitzt, irgendwo irgendwas studiert und ob er dann Generaldirektor werden will. Etwas viel Science Fiction auf einmal. Ich habe mit dem Armin nicht geredet, warum er das studiert, und ob er irgendwelche anderen Karriereschritte damit verbindet.

STANDARD: Erwächst da Konkurrenz?

Grasl: Überhaupt nicht. Ich glaube, jede Fortbildungsmaßnahme ist für jeden Mitarbeiter des ORF sehr gut. Armin Wolf ist als Moderator der ZiB 2 sehr erfolgreich, und nach meinem Informationsstand will er nach der Bildungskarenz wieder in die Funktion zurückkehren.

STANDARD: Würden Sie sich Wolf als Führungskollegen, Direktorenkollegen wünschen?

Grasl: Armin Wolf war mein Chef in der ZiB 3. Ich habe ihn als exzellenten Sendungsmacher erlebt, von dem ich viel gelernt habe. Die Zeit, in der ich mit ihm zusammengearbeitet habe, war sehr interessant. Dem ist nichts hinzuzufügen. aber Bewerbungen für Direktorenposten sind nicht bei mir abzugeben.

STANDARD: Werden Sie die Kamera vermissen?

Grasl: Die Frage habe ich mir auch gestellt und verneint: Ich bin jetzt über zehn Jahre vor der Kamera gestanden. Ich habe immer gesagt, ich würde mich gerne in eine andere Richtung verändern. Und nachdem ich Wirtschaft studiert habe, wollte ich ins Management gehen. Da schaue ich nicht mehr retour.

STANDARD: Sie haben zum Ernährungsschwerpunkt eine Zeit über Ihre Diäterfolge gebloggt. Halten Sie die Welt auf ähnlichem Weg künftig über Ihre Diät für den ORF auf dem Laufenden? Blog des Kaufmännischen Direktors?

Grasl: Nein, den wird's nicht geben. Ich bin generell dafür, ORF-Interna auch intern zu besprechen und diese weder zu bloggen, facebooken oder zu twittern.

STANDARD: Sie haben ja auch auf einen Teil Ihrer Direktoren-Diäten verzichtet: Was hat es mit Ihrer reduzierten Abfertigung auf sich?

Grasl: Direktoren steht bei ihrem Ausscheiden eine Abfertigung zu. Da ich nur 40 Prozent einer Geschäftsführungsperiode gewählt bin, also zwei Jahre bis Ende 2011, habe ich auf 60 Prozent verzichtet. Ich sehe das auch als klares Signal für Sparbewusstsein.

STANDARD: Sie werden ja auch nicht mit der Ambition auf nur zwei Jahre in der ORF-Führung angetreten sein.

Grasl: Ich habe gerade meinen vierten Arbeitstag. Wie es 2012 weitergeht, entscheiden die Stiftungsräte.

STANDARD: Aber Sie haben ein Recht, in Ihre alte ORF-Dienstgruppe zurückzukehren, wenn Sie nicht mehr Direktor sind.

Grasl: In die Dienstgruppe, aber natürlich nicht in die Funktion. Aber über solche Dinge wie ein Rückkehrrecht zerbreche ich mir nicht den Kopf. Ich schaue nach vorne.

STANDARD: Sie könnten ja auch die nächsten 30 Jahre bis zur Pension ORF-Direktor bleiben.

Grasl: Das wäre doch eher unüblich, nach bisherigen Erfahrungen.

STANDARD: Sie wurden mit 36 Jahren ORF-Direktor. Ist damit die Karriere zum Weißen Elefanten, zum hoch dotierten, aufs Abstellgleis geschobenen ORFler, nicht vorgezeichnet - weil ja die wenigsten sich 30 Jahre in diesem oder dem nächsthöheren Job halten?

Grasl: Nein. Also wenn ich etwas in meinem Leben sicher nicht werde, dann Weißer Elefant. Das würde meiner Persönlichkeitsstruktur widersprechen. Irgendwo zu sitzen und Geld dafür zu kassieren, nichts zu tun, würde ich sicher nicht machen, ich würde dabei unglücklich. Weiße Elefanten findet man im ORF keine mehr.

STANDARD: Eine aussterbende Rasse?

Grasl: Eine ausgestorbene.

>>> Grasl über Dienstauto, Beuschel, Faymann und Pröll

STANDARD: Dienstauto schon ausgesucht?

Grasl: Nein, ich übernehme es von Sissy Mayerhoffer, ein BMW mit 160.000 Kilometern, den sie schon von Alexander Wrabetz übernommen hat.

STANDARD: Ihr Direktorenjob macht Sie zum Pendlerschicksal. Eine Stunde von Krems auf den Küniglberg, eine Stunde abends wieder zurück. Hat ein Kaufmännischer ORF-Direktor dafür die Zeit? Oder bekommen Sie einen Chauffeur?

Grasl: Nein, ich fahre selbst. In Niederösterreich zu wohnen und in Wien zu arbeiten - oder umgekehrt - halte ich wegen der Lebensqualität sogar für ein Privileg. Als Chefredakteur bin ich pro Jahr ca. 60.000 Kilometer gefahren. Da ist die Strecke Wien - Krems kein Problem. Wir kriegen im April unser erstes Kind, unsere Familien sind in Krems, da ist klar, dass wir dort bleiben.

STANDARD: Dienstwohnung in Wien, wenn's spät wird?

Grasl: Keine Dienstwohnung. Ich bin ein Nachtmensch und fahre auch in der Nacht mit dem Auto.

STANDARD: Wie kann ein Wirtssohn kein Beuschel essen?

Grasl: Vielleicht weil er weiß, wie es aussieht, wenn es gemacht wird. Ich mag keine Innereien.

STANDARD: Muss man ja nicht. Zum Abschluss ein paar Sätze, die Sie bitte vervollständigen, und Wörter, die Sie kommentieren: Ich kann ...

Grasl: ... ich glaube, Mitarbeiter und Kollegen sehr gut davon überzeugen, dass man einen gemeinsamen Weg geht.

STANDARD:  Ich kann nicht ...

Grasl: ... supergeduldig sein.

STANDARD:  Ich lache über ...

Grasl: ... sehr oft und sehr oft auch über mich selbst.

STANDARD:  Ich hasse ...

Grasl: ... nichts. Garnichts. Beuschel. Nein, nicht einmal das. Hassen ist mir als Begriff zu brutal.

STANDARD: Ehrgeiz ist ...

Grasl: ... richtig eingesetzt positiv. Wenn er übertrieben ist, oft hinderlich.

STANDARD:  Als ich klein war, wollte ich werden ...

Grasl: ... Sportreporter.

STANDARD: : Ich will werden ...

Grasl: ... ein glücklicher Vater meines im April hoffentlich gesund geborenen Sohnes. Das ist mir derzeit das Wichtigste im Leben.

STANDARD:  Alexander Wrabetz ...

Grasl: ... ist für mich ein sehr professioneller, offener und kompetenter ORF-Chef, der meine volle Loyalität hat.

STANDARD: Wieder-Werbechef Franz Prenner ...

Grasl: ... halte ich für einen Gewinn für den ORF. Weil er die ORF Enterprise in einer Phase geleitet hat, die für den ORF sehr positiv war. Durch seine weiteren Erfahrungen hat er gelernt, wie man auch in schwierigeren Phasen Werbung lukriert.

STANDARD: Raiffeisenchef Christian Konrad ...

Grasl: ... ist eine sehr interessante Persönlichkeit, mit der ich oft einer Meinung bin, und genau so oft nicht.

STANDARD: Waren Sie schon mit ihm jagen? 

Grasl: Ich bin noch nie neben ihm auf einem Hochstand gesessen.

STANDARD:  Elmar Oberhauser ...

Grasl: ... kenne ich aus meinen Anfängen als Fernsehzuschauer als exzellenten Interviewer. Als Informationsdirektor kämpft er darum, dass es den ORF-Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit gut geht.

STANDARD: Wolfgang Lorenz ...

Grasl: ... kenne ich persönlich noch etwas zuwenig. Wir hatten ein gut eineinhalbstündiges Gespräch, das nur für eine Stunde angesetzt war. Das spricht dafür, dass wir uns sehr gut verstanden haben und sehr gut über das Programm des ORF philosophiert haben.

STANDARD: Werner Faymann ...

Grasl: Ich kenne ihn persönlich kaum. In der öffentlichen Wahrnehmung jemand, der das Miteinander sucht, was mir gefällt. Auch wenn's ab und zu vielleicht anders einfacher wäre.

Josef Pröll?

STANDARD: Genau.

Grasl: Sehe ich ähnlich. Mir gefällt der Stil der Zusammenarbeit, den beide pflegen, der oft als Kuschelkurs negativ verschrieen war. Was nicht zutrifft, weil beide in der Sache sehr hart ihre eigenen Standpunkte vertreten.

STANDARD: Erwin?

Grasl: Erwin Pröll?

STANDARD:  Ja.

Grasl: Halte ich für einen sehr umtriebigen Landeshauptmann, der im Land Niederösterreich eines geschafft hat: Dass sehr viele Menschen, ohne einen Auftrag zu bekommen, in die Richtung marschieren, von der er glaubt, dass sie für das Land gescheit ist.

STANDARD: Wie vielleicht ein Chefredakteur des Landesstudios Niederösterreich. - Was kann man von Erwin Pröll lernen?

Grasl: Durchsetzungsfähigkeit.

STANDARD: Was lernt man als Chefredakteur des Landesstudios in St. Pölten?

Grasl: Mit möglichst wenig Geld möglichst gutes Programm zu machen.

STANDARD:  Danke für das Gespräch. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 5./6.1.2010, Langfassung)