Das Schicksal von fünf jungen afghanischen Flüchtlingen, die ausgerechnet am Heiligen Abend frierend in einer schwedischen Kleinstadt ausgesetzt wurden, sorgt derzeit in Schweden für Diskussionen. Am späten Nachmittag des 24. Dezember traf ein Bewohner der Kleinstadt Sävsjö in der schwedischen Region Smaland auf der beinahe menschenleeren Straße fünf frierende, herumirrende Jugendliche an. Eine Verständigung war kaum möglich, der Mann informierte die Polizei. Dort versuchte man, die fünf provisorisch unterzubringen, doch weder die örtliche Sozialbehörde noch eine Pension waren bereit, die offensichtlich mittellosen Flüchtlinge aufzunehmen.

Unterschlupf fanden sie schließlich in der örtlichen Kirchengemeinde. Deren Pastor Jonas Nyström organisierte Essen, Matratzen, saubere Kleidung sowie Hygieneartikel und brachte die zwischen 14 und 18 Jahre alten Burschen im Gotteshaus unter. In den folgenden Tagen gelang mithilfe von ein paar Brocken Englisch, die einer der Jugendlichen beherrschte, und einem Übersetzungsprogramm im Internet ein wenig Kommunikation.

Zunächst verstanden die Helfer, dass die fünf Afghanen nach einer 18-tägigen Odyssee in einem Container in Europa angekommen, mit einem Lastwagen weiter nach Schweden transportiert und schlussendlich am verschneiten Waldrand in der Nähe von Sävsjö ausgesetzt worden seien.

Aus Zug geworfen

Erst am 28. Dezember stellte sich heraus, dass die Jugendlichen bereits in Malmö den Lkw verlassen hatten müssen und dort in einen Schnellzug nach Stockholm stiegen. Nachdem sie ohne Fahrkarte ertappt wurden, ließ der Schaffner den Zug 30 Kilometer vor dem nächsten Bahnhof außertourlich in Sävsjö anhalten und zwang die fünf mittellosen und für die winterlichen Temperaturen viel zu dünn bekleideten Jugendlichen, den Zug zu verlassen.

Bei der schwedischen Staatsbahn SJ fand man an diesem Vorgehen nichts weiter Verwerfliches: "Das Personal handelte völlig im Einklang mit dem Regelbuch", beteuerte ein SJ-Sprecher, "sie wurden gebeten, den Zug zu verlassen, und sie stiegen ruhig und friedlich aus." Zu sagen, man habe sie aus dem Zug geworfen, sei daher eine falsche Darstellung.

Pastor Nyström sieht es anders: "Eine merkwürdige Vorgangsweise der Bahn. In Nässjö - dem nächsten planmäßigen Halt des Schnellzuges - hätte es Behörden gegeben, die auch am Heiligen Abend Dienst hatten und sich um die Jugendlichen kümmern hätten können", befand er gegenüber schwedischen Medien.
"Autostopp nach Afghanistan"

Um Asyl angesucht

Geschockt zeigte sich Nyström von einem Teil der Reaktionen. Während viele Mitglieder der Kirchengemeinde und andere Bewohner von Sävsjö Mitmenschlichkeit gezeigt hätten, habe er auch zahlreiche ausländerfeindliche Anrufe erhalten. Viele "ältere, eloquente Männer und Frauen" hätten ihm geraten, die Jugendlichen aus der Kirche zu werfen oder per Autostopp nach Afghanistan zurückzuschicken.

Wie es mit den Jugendlichen, die dem von den Taliban verfolgten Turkvolk der Hazaren angehören, weitergeht, ist unklar. Vier von ihnen, allesamt minderjährig, wurden in einem Jugendheim bei Göteborg untergebracht, der 18-Jährige in einem Auffanglager für Migranten. Alle fünf haben mittlerweile um Asyl angesucht. (Andreas Stangl aus Stockholm, DER STANDARD; Printausgabe, 4.1.2009)