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Sie rittern um die Rathausmehrheiten: Michael Häupl (SP), Christine Marek (VP), Maria Vassilakou (Grüne), Heinz-Christian Strache (FP).   

Fotos: APA (4), AP; Montage: Friesenbichler
Graphik Standard

Der Wahlkampf wird geprägt sein vom Bestreben, Bürgermeister Häupl aus dem Sessel zu befördern - und von Koalitionsspekulationen.

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Michael Häupl will es ganz genau wissen. Citymaut, Ganztagsschule, Hundeführerschein, Hausmeister, U-Bahn-Verkehr: Was der Wiener Bürgermeister bei der Volksbefragung Mitte Februar abfragen lässt, klingt wie ein Themen-Portfolio für den Wahlkampf. Die Sozialdemokraten wollen sich offenbar von den Wienern sagen lassen, was diese bis zu den Wahlen hören wollen. Denn am 10. Oktober 2010 steht die absolute Mehrheit der Rathaus-Roten auf dem Spiel.

Die Dramaturgie für das Wahljahr hat die SP längst festgelegt: Unmittelbar nach der Volksbefragung begibt sich der rote Klub auf Klausur nach Rust. Schon 2009 gelang dort mit dem Gratiskindergarten ein thematischer Coup, den man im Wahljahr wohl noch übertreffen muss. Im Mai folgen der Parteitag und eine Frühjahrskampagne, die aber, wie Landesparteisekretär Christian Deutsch beteuert, nichts mit dem Wahlkampf zu tun habe. Offiziell will sich die SP im September in die Wahlauseinandersetzung stürzen.

"Häupl und Strache sind schon im Dauerwahlkampf. Mein Weg hat am 16. November 2009 begonnen", befindet hingegen Staatssekretärin Christine Marek. An diesem Tag präsentierte Häupl erstmals seine Volksbefragung - und Marek wurde zur Spitzenkandidatin der Volkspartei erkoren. Für den Wahlkampf hat sie sich einen schwierigen Spagat vorgenommen. Einerseits soll sich die VP mit Unterstützung von Innenministerin Maria Fekter des Sicherheitsthemas annehmen. Andererseits sollen grün-bürgerliche Wechselwähler angesprochen werden, nicht zuletzt durch die Spitzenkandidatin. "Unter dem christlich-sozialen Dach hat viel Platz", ist Marek überzeugt.

"Strategisches Paradoxon"

Keinen Spagat, sondern vielmehr ein "strategisches Paradoxon" sieht Grünen-Chefin Maria Vassilakou bei der Volkspartei. Angst vor liberaler schwarzer Konkurrenz hat sie aber nicht. Überhaupt ortet Vassilakou derzeit einen "leichten Aufwärtstrend" für die Grünen. "Es schaut nicht schlecht aus, aber wir müssen alle noch viel tun, damit es gut wird", lautet der Befund von Marek zu ihrer Volkspartei. Hans-Jörg Jenewein, Landesparteisekretär der FP, ist optimistischer: "Die Rahmenbedingungen für einen Erfolg stimmen, wir können uns eigentlich nur selbst überdribbeln." Das Wahlkampfkonzept hat Jenewein schon in der Schublade, inhaltliche Überraschungen wird man darin vergeblich suchen. Die Blauen wollen ihre Kontrollfunktion hervorstreichen und sich als Sozialpartei positionieren. Und das Ausländerthema? "Das wird sicher eine Rolle spielen.2

Ein Botschaft haben die Blauen erfolgreich angebracht: Parteichef Heinz-Christian Strache hat das Duell um Wien ausgerufen - bei dem der Sieger längst feststeht, Platz eins trauen sich die Freiheitlichen in Wien nicht einmal selbst zu. Und dass Strache mitregiert, wollen laut Umfragen auch seine eigenen Wähler nicht.

Platz zwei scheint für die FPaber gesichert, nicht zuletzt, weil in Wien ein "Überlaufgefäß" fehlt, wie es Politikberater Thomas Hofer formuliert: eine Partei, die Protestwähler anzieht - wie Hans-Peter Martin bei den Europawahlen. Rechtsliberale Konkurrenz könnte es vom BZÖ geben, das derzeit aber nicht nur auf Sinn-, sondern auch auf Kandidatensuche ist. Generalsekretär Stefan Petzner sprach im Standard-Interview von einem "personellen Coup", den die Orangen vorhätten.

Wien als Raiffeisen-Filiale

Knapp über 40 Prozent erreicht die SP derzeit in Umfragen - schaffen die Roten also keine Trendwende, wird sich Michael Häupl (oder sein Nachfolger) wohl oder übel einen Koalitionspartner suchen müssen. "Es geht darum, mitzugestalten", sagt VP-Chefin Marek, "realistisch gesehen als kleinerer Koalitionspartner mit dem größeren Elan.2 Viele in der Stadt gehen von einer rot-schwarzen Zusammenarbeit aus, auch die Grüne Vassilakou: "Der schwächelnde Riese wird es nicht mehr allein machen." Aber auch Rot-Grün soll als Option postuliert werden. "Wir müssen linke Wechselwähler von dem großen Irrtum abhalten, dass sie die SP wählen müssen, um die Stadt zu retten. Damit bewirken sie nur, dass Wien die nächste Raiffeisen-Filiale wird." (Andrea Heigl/DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2010)