Wien - Befürchtungen vor einer Übersättigung der Ölmärkte lösen die Sorgen vor einer Rohölverknappung immer mehr ab. Damit haben sich die Ängste der Ölhändler vor einer durch den Krieg im Irak ausgelösten massiven Reduktion des Angebots wohl endgültig verflüchtigt. Dazu kommt, dass die Lager in den USA wieder voller wurden.

Zumindest die Preise antizipieren schon ein Überangebot: So hat sich ein Fass der europäischen Leitsorte Brent zur Lieferung im Mai am Dienstag um 82 US-Cents auf 26,36 Dollar verbilligt, die US-Sorte West Texas Intermediate gar um vier Prozent. Dass ein Trendwende bei den Preisen bevorsteht, vor der die Opec schon mehrfach gewarnt hatte, halten jetzt auch viele Händler für wahrscheinlich.

Nach dem schnellen Vormarsch der Alliierten in Richtung Bagdad ist der Öl-Preis am Donnerstag wieder gefallen. Im vorbörslichen Handel wurden in London am Morgen 24,80 Dollar (22,9 Euro) für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent gezahlt. Dies waren 41 Cent weniger als zum Handelsschluss am Mittwoch. In New York verbilligte sich der Preis für die Sorte Light Sweet Crude um 67 Cent auf 27,89 Dollar.

Überversorgung

Hauptgründe für den Paradigmenwechsel laut dem internationalen Energiebroker PVM: Während der Bedarf im zweiten Quartal saisonbedingt deutlich geringer ist, werden die Exporte aus Nigeria bald auf das normale Niveau (2,2 Mio. Fass) klettern, auch weil ein angekündigter Streik abgeblasen wurde. In den vergangenen Tagen hatten Unruhen fast 40 Prozent der Ausfuhren des sechstgrößten Ölproduzenten der Welt gekostet. Schränkt die Opec die Förderung in nächster Zeit nicht ein, droht eine massive Überversorgung der Märkte, so das Resümee von PVM.

Die geringeren Aktivitäten der Saudis am Tankermarkt seien der erste Indikator in diese Richtung, argumentiert das Handelshaus. Für eine drohende Überversorgung spreche auch, dass die erwarteten Produktionseinschränkungen in Kuwait ausgeblieben seien, während die Förderung in Venezuela schneller als von der Internationalen Energie-Agentur erwartet auf Touren gekommen sei. (Clemens Rosenkranz, DER STANDARD, Printausgabe 3.4.2003)