Wien - Saddam Hussein hat in seiner vom Informationsminister verlesenen Rede am Dienstag die Iraker zum Djihad aufgerufen. Die islamische Attitüde des irakischen Baath-Regimes ist nicht ganz neu: Auch der Golfkrieg im Jahr 1991 wurde vom Irak - trotz arabischer Beteiligung an der gegnerischen Koalition - als "Heiliger Krieg" geführt. Der Iran-Irak-Krieg (1980-88) wurde hingegen erst nach und nach mit religiöser Legitimation versehen: Damit sollte der Motivierung der eigenen, mehrheitlich aus Schiiten bestehenden Armee auf die Sprünge geholfen werden, die ja gegen für ein islamisches Regime kämpfende Schiiten im Feld stand.

Ursprünglich ist die Baath- Ideologie säkularistisch, Saddam Hussein selbst plädierte in seinen Schriften in den 70er-Jahren für eine Trennung von Religion und Staat. Der arabische Nationalismus war jedoch nie ganz frei von "islamischer Inspiration" - die ihn auch von westlichen Nationalismen unterscheiden sollte. Von einem der Baathismus- Gründerväter Michel Aflaq, einem Christen, stammt das Wort: "Muhammad war alle Araber, alle Araber sollten Muhammad sein" (d. h. auch die Christen).

Aflaq starb 1989 in Bagdad, es wird behauptet, er habe sich auf dem Totenbett zum Islam bekehrt. Für Saddam war es die Zeit des religiösen Dammbruches, schon vorher - nach Unruhen in Najaf und Kerbala in den 70er-Jahren - hatte er jedoch seine Abstammung vom Propheten "entdeckt", dies aber relativ dezent gehandhabt.

1990, vor dem Krieg, ließ Saddam Hussein Allahu Akbar (Gott ist groß) auf der irakischen Fahne anbringen, eine offizielle Mitteilung des Informationsministerium dazu: "Seine Exzellenz ergriff die Flagge des Irak, seine Augen leuchteten (...), und er zeigte mit seiner vornehmen Hand, dass die Worte Allahu Akbar auf die Flagge des Irak eingestickt werden sollen."

Im Golfkrieg ist dann die offizielle Rhetorik weitgehend islamisiert: Die Basmala (Im Namen Allahs . . .) steht am Anfang, Allahu Akbar am Ende von und vermehrt auch inmitten der Reden, ebenso Koranzitate. Die Kriegsgegner werden als "Ungläubige" bezeichnet, und erstmals wird "mu'minin", Gläubige, für Baath-Parteimitglieder verwendet. Islamische Waffennamen gibt es schon im Iran- Irak-Krieg (zum Beispiel die Raketen al-Hussein, al-Abid, al-Abbas), ebenso Namen aus der islamischen Geschichte für Militäroperationen, besonders nach Niederlagen blüht die islamische Rhetorik.

Saddam und seine Hofschreiber springen auch auf eine Nebenbedeutung der Wurzel von "Baath" (Erweckung) auf, an die die Erfinder der Bewegung bestimmt nicht gedacht haben: die Entsendung eines Propheten - überflüssig zu erklären, wer da der Prophet sein soll. Den Parteimitgliedern wird 1990/1991 immerhin noch eine Erklärung geboten, wie diese

erstaunliche ideologische Wandlung zustande gekommen ist: Erst jetzt (im Golfkrieg) sei der Baathismus nach 50-jähriger Existenz zu seiner Mission - einer islamischen Mission - erhoben worden, woran auch die herausragende Rolle des Irak im arabischen Nationalismus zu erkennen sei.

Wie ernst Saddam seine religiöse Sendung selbst nimmt, ist schwer zu beurteilen, er selbst war immer als starker Konsument von Whisky - und Frauen - bekannt. Wie auch andere Mitglieder der irakischen Führung ist oder war er mit mehreren Frauen gleichzeitig verheiratet. 1995 wurde im Irak zwar der öffentliche Ausschank, nicht aber der Konsum von Alkohol verboten. Die grässlichen Körperstrafen, die Mitte der 90er- Jahre aufkamen - wie Ohrenabschneiden oder Brandmale auf der Stirne -, sind islamisch nicht zu legitimieren.(DER STANDARD, Printausgabe, 3.4.2003)