Paris - Nur noch wenige Tage kann man die Miros, Dalis, Picassos und andere Kostbarkeiten der Sammlung Andre Breton (1896-1966) besichtigen, bevor sie in alle Winde zerstreut werden. Vom Montag, den 7. April, an werden die auf 30 Millionen Euro geschätzten Kunstwerke des Haupttheoretikers des Surrealismus, die derzeit in sieben großen Ausstellungssälen des französischen Auktionshauses Drouot Richelieu zu sehen sind, versteigert. Damit geht endgültig der Traum von einer Surrealismus-Stiftung oder einem Breton-Museum zu Ende. Frankreichs Intellektuelle gehen zwar gegen diese "Zerstörung französischen Kulturerbes" auf die Barrikaden - doch bisher vergeblich.

Zuerst werden Bretons Manuskripte und Bücher versteigert, dann die Gemälde und Fotografien und schließlich seine Sammlung afrikanischer Kunst. Die Mammutversteigerung von Hunderten von Gemälden, Fotografien, Manuskripten, Büchern, afrikanischer Masken und Skulpturen, die bis zum 17. April dauert, hat schon im Vorfeld für viel Aufsehen gesorgt.

"Wir lassen dich nicht verramschen"

Der französische Staat will die Versteigerung nicht verhindern, doch stellt er Bedingungen. In einem Brief an den sozialistischen Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoe, ließ der französische Kulturminister wissen, dass die Stadt Paris das Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen darf - wenn sie es wünsche.

Seit Anfang des Jahres versuchen Frankreichs Intellektuelle mit Protestschreiben und Unterschriftensammlungen diese Versteigerung zu verhindern. Am ersten Tag der Veranstaltung wollen sie nun vor dem Aktionshaus demonstrieren.

"Andre Breton: Nein, wir lassen dich nicht verramschen", kritisierten Frankreichs Intellektuelle am 10. März anlässlich eines Treffens mit Jean-Jacques Aillagon, dem französischen Kulturminister. Sie wollen, dass die außergewöhnliche Sammlung des französischen Schriftstellers und Kritikers, der als einer der Initiatoren des Pariser Dadaismus gilt und später zum wichtigsten Theoretiker des literarischen Surrealismus wurde, zusammenbleibt. "Erstens wollen wir, dass die französischen Kulturbehörden verhindern, dass die Sammlung Frankreich verlässt, zweitens wollen wir, dass sie durch ihr Vorkaufsrecht Teile der Sammlung erwerben", wurde in Petitionen schon im Jänner gefordert.

Dass der französische Staat, der sonst so viel Wert auf sein Kulturerbe legt, bisher untätig blieb, ist erstaunlich. "Da es nicht möglich war, die ganze Sammlung zu bewahren und angesichts des Desinteresses der öffentlichen Behörden, die Gründung einer Stiftung zu unterstützen, haben die Tochter und Enkelin Andre Bretons beschlossen, diese Versteigerung zu organisieren", erklärte das Auktionshaus. Die ersten Schritte zur Gründung eines Andre-Breton-Museums oder einer Surrealismus-Stiftung wurden gleich nach dem Tod Bretons am 28. September 1966 unternommen - doch ohne Erfolg.

Originalgetreue Atelierwohnung

Breton hat 1924 das "Manifest des Surrealismus" verfasst und die legendäre "Anthologie des schwarzen Humors". Er war befreundet mit Max Ernst, Picasso, Dali und Giorgio de Chirico, die alle in seiner Pariser Atelierwohnung in der Nähe des Künstlerviertels Montmartre ein und aus gingen. Diese rund 80 Quadratmeter große, noch originalgetreu bewahrte Wohnung in der Rue Fontaine, die mit all diesen Kunstschätzen eher einem Museum glich, wird nun zusammen mit seinem kostbaren Inhalt aus 4100 Losen bis auf eine Ausnahme völlig aufgelöst - eine Wand aus Bretons Atelier, auf der sich oben ein Gemälde Miros befindet, japanische Tuschzeichnungen, afrikanische und ozeanische Kultobjekte. Diese "Wand" - bereits eine Dauerleihgabe an das Centre Pompidou - geht als Zahlung der Erbschaftssteuer an den französischen Staat. (APA/dpa)