Ein ziemlich kalter Hauch wehte dieser Tage aus Wladiwostok Richtung Westen. Der russische Premier Wladimir Putin erklärte bei seinem Besuch an der Pazifikküste, dass Russland als Antwort auf den US-Raketenschild, offensive Raketen entwickeln müsse - um das Gleichgewicht zu sichern.

In Zeiten, in denen Länder wie China, Pakistan und Nordkorea über Atomwaffen verfügen, stellt sich nicht nur die Frage, von welchem Gleichgewicht Putin da eigentlich spricht, sondern auch warum er auf den letzten Metern zu einem neuen Abrüstungsvertrag erneut den bereits stark abgespeckte US-Raketenschild aufs Tapet bringt. Handelt es sich etwa um verhandlungstaktisches Kalkül?

Russische Militärexperten sind ja der Meinung, dass Putin das Verhandlungsende hinauszögert, damit Russland länger auf gleicher Augenhöhe mit den USA steht. Dagegen spricht, dass vor Weihnachten aus Diplomatenkreisen zu vernehmen war, die Einigung stehe grundsätzlich und es werde nur noch an technisch einwandfreien Formulierungen gefeilt. In den USA gilt die Zustimmung der Republikaner zu einem neuen Vertrag längst nicht als gesichert. Die Obama-Regierung will sich daher keinen Fehler erlauben.

Putins Worte sind nicht so sehr als Störfeuer gegen die Verhandlungen zu verstehen, sondern als Botschaft an das Heimpublikum - vor allem an die Militärs, die zuletzt durch die geplante Armeereform und die gescheiterten Tests der neuen Interkontinentalrakete Bulawa verunsichert wurden. (Verena Diethelm/DER STANDARD, Printausgabe, 31.12.2009)