"Das Erste, was man bei der Arbeit mit Fluglotsen lernt, ist, Geduld zu haben" , sagt Andreas Kaindl. Der Entwickler beim Hightech-Unternehmen Frequentis weiß um die Eigenarten der Branche. Unzählige Male testeten Flugsicherheitsexperten aus aller Welt sein neues System im User-Interface-Center der Wiener Frequentis-Zentrale.

Immer wieder schoben die Lotsen die digitalen Flugstreifen mit Datenstiften über die Computerbildschirme, fanden verbessere Detaillösungen - und immer wieder setzte Kaindls Team die Vorschläge um. Dann wurde weitergetestet - bis die Lotsen zufrieden waren, vergingen einige Monate.

"Das hatten wir allerdings auch nicht anders erwartet" , sagt Kaindl. Immerhin handelt es sich bei dem neuen kabelgebundenen System zur Sprach- und Datenübertragung im Flugverkehr, das die Informationen rund um Flugzeuge im Luftraum eines Flughafens erstmals rein digital darstellt, um nicht viel weniger als eine kleine Revolution.

Denn noch arbeiten Fluglotsen in der Regel mit ausgedruckten Papierstreifen, auf denen die jeweilige Flugnummer, die gegenwärtige Route und die Flughöhe und -geschwindigkeit vermerkt sind. Ihre jeweiligen Anweisungen für die Flieger werden handschriftlich auf die kleinen Zettel notiert.

Bewegt sich eine Maschine von einem Flugsektor in den nächsten, wird der Streifen von einem Assistenten zum Fluglotsen getragen, der den jeweiligen Luftraum überwacht. Kaindls Software automatisiert diesen Job nun. "Die heute etablierte Arbeitsweise ist zwar sehr umständlich, hat aber den entscheidenden Vorteil, dass sie nicht abstürzen kann" , sagt Kaindl.

Zuallererst mussten die Frequentis-Entwickler daher dafür sorgen, dass die Ausfallsicherheit des neuen Flugsicherheitssystems den höchsten Anforderungen entspricht. Die einzelnen Komponenten sind daher bis zu fünffach vorhanden. Sollte ein Bauteil ausfallen, übernimmt eines der anderen vier dessen Funktion. Sichergestellt werden musste zudem, dass kein Ausfall einer Einzelkomponente zum Gesamtausfall des System führen kann.

Aufwändige Tests

Diese äußerst aufwändigen Tests machten technologisch wie auch finanziell den Hauptteil der Entwicklungsarbeit aus, betont Kaindl. Durch eine Förderung des Wiener Zentrums für Innovation und Technologie (ZIT) konnte der digitale Flugstreifen dennoch rasch umgesetzt werden. Denn ansonsten wäre es ungleich schwerer am Markt geworden, meint der Experte, denn: "Heutzutage ist die ,time to market‘ die Größe, die über Erfolg oder Misserfolg eines Projektes entscheidet."

"Das Flugsicherheitssystem ist ein Paradebeispiel für Förderwürdigkeit" , betont auch ZIT-Projektbetreuer Christian Bartik. Der Erfolg rechtfertigt den Aufwand: Bei 99,99 Prozent liegt die Ausfallsicherheit der neuen Lösung. "100 Prozent gibt es leider bei keinem technischen System, wir pirschen uns aber immer dichter an diese Marke heran" , sagt der Frequentis-Entwickler. Technisch machbar sei laut Kaindl auch eine Version, die ganz ohne digitale Flugstreifen auskommt und bei der das Flugsicherheitspersonal die Flüge direkt an einem Touch-Radarschirm per Mausklick bearbeitet und verschiebt. Das würde aber momentan den Arbeitsablauf der Lotsen noch zu stark verändern, sagt Kaindl. Irgendwann werde aber auch diese Lösung umgesetzt. "Schritt für Schritt" , sagt Kaindl. (dedi/DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2009)