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Wolfgang "Wuff" Loitzl segelt bei der Tournee als Titelverteidiger und Außenseiter.

Foto: APA/EPA/Gebert

"Ein Tourneesieg genügt eigentlich." Viel wird gesprochen im Vorfeld der Vierschanzentournee, aber wenig gesagt. Weshalb Wolfgang Loitzls Satz schon als bemerkenswert gelten darf. Der 29-jährige Steirer, der am Dienstag ( (16.30, ORF 1)) als Titelverteidiger von der Oberstdorfer Schattenberg-Schanze abhebt, suhlt sich geradezu in seiner Rolle als stolzer Außenseiter mit Aussichten.

Die teilt er mit nicht einmal einem halben Dutzend anderer Springer. Thomas Morgenstern und Andreas Kofler sind darunter, auch Janne Ahonen, der alte Finne, der den Eindruck erweckt, als wäre er bloß auf Werbetour für seine Biografie, die er in Oberstdorf mit versteinerter Miene gut zweihundertmal signierte. Dazu kommt noch der Norweger Björn Einar Romören, Auftaktsieger im gegenwärtigen Weltcup. Und aus.

Geduld als Bedingung

Sieger sind am Ende der Reise von Oberstdorf über Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck nach Bischofshofen am 6. Jänner aber für die Kundigen nur zwei denkbar: Gregor Schlierenzauer und Simon Ammann. Zumindest der 19-jährige Stubaier, nach seinen beiden Saisontriumphen der erfolgreichste österreichische Skispringer im Weltcup, will seine Rolle bei aller Zuversicht nicht richtig annehmen. Drei Tourneen hat er schon absolviert, dreimal war er dem Gesamtsieg recht nahe. "Aber ich darf hoffentlich noch zehn Tourneen springen. Und irgendwann wird's schon hinhauen. Es muss ein bisschen passieren."

Ein Genie nennt ihn Werner Schuster, der Vorarlberger Trainer der Deutschen, die zumindest in den beiden Heimspringen in Oberstdorf und Garmisch auf Lichtblicke durch den ewigen Martin Schmitt und den Jüngling Pascal Bodmer hoffen. Schuster glaubt, dass sich das Genie gegen Ammanns Routine durchsetzen wird. Der 40-Jährige hatte Schlierenzauer seinerzeit in Stams in seiner Trainingsgruppe, gilt als dessen Wegbereiter. Und Ammann hat Schuster 2007 genau kennengelernt, als er als Cheftrainer der Schweizer wirkte. Die Zusammenarbeit verlief nicht friktionsfrei. Immerhin hält sich Schuster zugute, technische Entwicklungen angestoßen zu haben, die Ammann, der nach seinen beiden Olympiasiegen 2002 in Salt Lake City lange Strecken des Dürstens nach Erfolgen zu bewältigen hatte, wieder zum Siegspringer machten.

Eile mit Weile

Der nach drei Siegen im Weltcup Führende ließ sich diesmal viel Zeit mit der Anreise. Erst am gestrigen Montag wurde er von Coach Martin Künzle die zweieinhalb Stunden von seinem Wohnort Schindellegi, Kanton Schwyz, ins Oberallgäu chauffiert. Die Qualifikation gedachte er im Gegensatz zu Schlierenzauer gleich einmal auszulassen, so oder so haben beide keine Federn. Davor hatte Ammann mit Andreas Küttel, dem Rest des Schweizer Teams, auf der Sommerschanze in Einsiedeln trainiert. Dem Tourneetrubel setzt er sich kaum aus. "Ich versuche, glimpflich davonzukommen" , beschreibt der 28-Jährige seinen Umgang mit der Öffentlichkeit. Auch da sei er vom Jugendlichen zum Routinier gereift.

Noch im vergangenen Winter, namentlich bei der Tournee, sagt Ammann, habe er für seine Leutseligkeit "bitteres Lehrgeld gezahlt. Ruhe und warme Füße sind wichtig." Nach seinem Auftaktsieg in Oberstdorf träumte er vom bisher nur dem Deutschen Sven Hannawald vergönnten Grand Slam mit Siegen auf allen vier Schanzen. Mit kalten Füßen wegen all der Interviews habe er die wichtigste Aufgabe, das Skispringen, aus dem Auge verloren. Rang zwei sei fast eine Niederlage gewesen.

Ruhe und Routine

Ammann hat keine zehn Tourneen mehr vor sich, aber schon elf hinter sich. Mit einem siebenköpfigen Team im Rücken - neben zwei Trainern kümmern sich ein Physiotherapeut, eine Ärztin, ein Mentalbetreuer, ein Pressechef und ein Servicemann um ihn - soll Nummer zwölf erfolgreich einer Erledigung zugeführt werden. Mag sein, dass sich der Schweizer dann Loitzl anschließt und einen Tourneesieg für ausreichend hält.  (Sigi Lützow - DER STANDARD PRINTAUSGABE 29.12. 2009)