Ist Ludwig Adamovich ein Mann mit zu schneller Zunge? Mitnichten. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs ist Berater des Bundespräsidenten, laut Falter ein "Schöngeist, der mit feiner Klinge und leisem Humor" agiere. Kann man so einen, der zudem Vorsitzender der Kampusch-Evaluierungskommission ist, wegen übler Nachrede verurteilen? Man kann - mit einiger Berechtigung.

Adamovich hatte in einem Krone-Interview spekuliert, das Leben in Priklopils Gefangenschaft könnte für Natascha Kampusch "allemal besser gewesen sein als das, was sie davor erlebt hat". Er hat diese Aussage in unterschiedlicher Nuancierung wiederholt, vor Gericht den Wahrheitsbeweis angeboten - und am Ende Kampuschs Mutter doch eine Ehrenerklärung angeboten. Abgesehen davon, dass solches Verhalten einigermaßen verwirrend ist: Kampuschs persönlicher Horror eignet sich nicht für Vergleiche dieser Art.

Adamovichs Aussagen haben trotz ihrer Ungebührlichkeit aber einen ernst zu nehmenden Kern: Ihm war der Kragen geplatzt, weil die Justiz nur sehr zögerlich bereit war, die eigenen Vorgänge von damals zu hinterfragen. Dieser Mangel an Selbstreflexion hat auch schon den Spitzenpolizisten Herwig Haidinger zur Verzweiflung und an die Öffentlichkeit getrieben. Innenministerin Maria Fekter tut gut daran, Adamovich trotz des Urteils den Rücken zu stärken - und der wäre gut beraten, seine Gekränktheit über den verlorenen Prozess zu überwinden und das zu tun, was er am besten kann: gründlich weiter nach der Wahrheit suchen. (Petra Stuiber/DER STANDARD, Printausgabe, 28. Dezember 2009)