Die Leserinnen und Leser dieser Kolumne werden sich erinnern: Während des Vorwahlkampfes der US-Demokraten wurde hier Hillary Clinton der Vorzug gegeben - unwichtig für die folgenden Wählerentscheidungen, wichtig jedoch für die folgenden Argumente pro Obama.

Als gewählter Präsident der USA wurde er in Europa (und in Österreich) auch von Leuten gefeiert, die hierzulande niemals einem Kandidaten afrikanischer Abstammung ihre Stimme geben würden.

Jetzt, da seine Politik nicht gleich die (naiv) erwarteten Erfolge gezeitigt hat, wird er in den meisten Medien als schwach und ungeschickt heruntergeschrieben. Wobei leider auch über Kommentatoren zu sagen ist, dass sie den Begriff Schwäche immer noch verwenden wie die Altvorderen: „Wets", so nannte sie Margaret Thatcher, sind Politiker, die zuwarten, die verhandeln. Stärke heißt: dreinhauen.

George W. Bush war stark. Aber was hat der Irak-krieg gebracht? Eine Verschlechterung der Lage in Nahost. Obama, der bei seiner Nobelpreis-Rede Gewalt als Ultima Ratio nicht ausschloss, agiert ähnlich wie die Europäische Union: mit Geduld und Diplomatie.
Man kann das Schwäche nennen. Aber der Iran beispielsweise hat vis-à-vis Bush sein Atomprogramm trotz massiver Drohungen der USA genauso weitergetrieben wie jetzt vis-à-vis Obama und Clinton. Man wird erst am Ende seiner ersten Amtszeit beurteilen können, ob er im Raum zwischen Kairo und Islamabad etwas bewegen konnte.

Dann erst wird sich auch herausstellen, ob er den Friedensnobelpreis verdient hat oder nicht.
Denn es reicht nicht, dass ihm (und seiner Außenministerin) in Europa mehr gelungen ist. Das Zwischentief durch den Bau eines ost-mitteleuropäischen Raketenschild hat er wieder verscheucht und den Russen gleichzeitig Gründe genommen, Gegenmaßnahmen via Öl- und Gasleitungen zu ergreifen. Das beruhigt.

Apropos Europa. Die Klimapolitik Obamas ist jetzt schon als positiv zu beurteilen. 1. Sein Vorgänger hat sich strikt gegen jede CO2-Reduktion gestellt. 2. Obama hat die maßgeblichen Ämter der USA mit Klimaexperten besetzt. 3. Er wollte, indem er den Kongress vor fixe Klima-Zusagen gestellt hätte, seine Gesundheitsreform nicht gefährden.

Die ist in der Tat eine enorme Leistung. Verwässert zwar, aber im Kern vom Senat beschlossen gegen eine republikanische Phalanx, die das neue Versicherungssystem als sozialistisch bis sowjetisch bezeichnet. Der Hauptvorwurf: Obama verstaatliche den Menschen.
Noch muss das Repräsentantenhaus zustimmen. Aber wenn das geschieht, ist dem Präsidenten der Start für ein Jahrhundertwerk gelungen, das auf europäischen Erfahrungen aufbauen kann.
In diesem Fall wäre Obama erfolgreicher als Bill Clinton, dessen Frau Hillary über beider Scheitern mit ihrem Versicherungsprojekt am Beginn der ersten Amtszeit nicht gerne redet. Wenn er dann noch Fortschritte in der Umweltpolitik erzielte, hätte Obama auch einige der wichtigsten Wahlversprechen erfüllt.
Doch was aus unserer Sicht richtig wirkt, kann im Blick von US-Bürgern falsch sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2009)