Liu Xiaobo, der seit Juni 1989 bereits dreimal wegen seiner Opposition gegen Chinas Parteidiktatur zu Gefängnisstrafen verurteilt wurde, war auf das vierte Mal vorbereitet. Haft könne ihn nicht beugen, schreibt er in einem Gedichtband: „Wer sich wie ich einer totalitären Macht widersetzt und deshalb ins Gefängnis kommt, braucht darüber auch kein großes Aufheben zu machen."

Das Aufheben machen andere, obwohl Peking genau das verhindern wollte. In chinesischen Internetforen tauchen schon erste Anspielungen über den „neuen Václav Havel" oder „chinesischen Mandela" auf. Noch mehr alarmierte Peking, das auf die Feigheit und Wirtschaftsinteressen des Westens spekuliert hat, wie bestürzt sich Politiker in der EU oder in Washington über die Justizfarce äußerten. Die KP-Funktionäre hatten ihr Image als moderne, verantwortungsbewusste Führer einer neuen Weltmacht gerade erst mühsam aufpoliert. Chinas dünner Lack ist nun wieder ab.

Lius Aburteilung wegen sechs Aufsätzen im Internet und der „Charta '08" erinnert an das Schicksal von Wei Jing-sheng. Der wurde für seine Forderung nach der „Fünften Modernisierung", mit der er die Demokratisierung meinte, zu 14 Jahren Haft verurteilt. Das war Ende 1979. Das Grundproblem des Westens mit Peking ist nach 30 Jahren gleich geblieben, trotz Chinas Entwicklung zur Weltwirtschaftsmacht und zum Global Player. Je mächtiger Peking wird, desto wichtiger wird die Berechenbarkeit seiner Führung und deren Bereitschaft, Probleme im Dialog zu lösen. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.12.2009)