Von der Babyrassel bis zum Besteck von Josef Hoffmann reicht das Sortiment der Wiener Silber Manufactur. Zeitgenössisches Design soll bald folgen.

Foto: Hersteller

Die Objekte stammen aus einer Manufaktur südlich von Wien, in der wie schon vor 127 Jahren alles in Handarbeit hergestellt wird.

Es ist nicht alles Silber, was hier glänzt. Aber fast. In der Boutique der Wiener Silber Manufactur, in einem kleinen Gässchen in der Innenstadt, gibt es seit kurzem blank polierte Stücke, die zeigen, dass das Schicksal des Silbers keineswegs mit dem Verstauben auf Dachböden oder in Großtantenvitrinen besiegelt ist. Der Schatz der Silber Manufactur zählt mehr als 11.000 Entwurfszeichnungen und Stanzformen. Darunter finden sich gestalterisch zeitlose Meisterleistungen wie die Mocca-Löffel des Architekten Oswald Haerdtl aus den 50er-Jahren oder Josef Hoffmanns Besteck Nr. 135, dem man keineswegs ansieht, dass es den 100er längst hinter sich hat.

In der Spiegelgasse Nr. 14 gibt's den eigens für Kaiserin Sisi kreierten, schrägen Zuckerlöffel samt Streulöchern, eine Babyrassel in Januskopfmanier, allerlei Kerzenständer, Schalen, Becher, Serviettenringe, Teeservice und all das, was einem in der Regel sonst noch so an Silber unterkommt.

"Wir wollen uns etwas trauen"

Insgesamt werden einstweilen an die 300 Silberteile offeriert. Trotz oder gerade wegen so viel Tradition gibt es hier natürlich auch Dinge, die man nicht unbedingt unterm Christbaum finden muss. Aber was sagt man von Geschmäckern? Genau. Daher auch das Engagement des Teams für künftig mehr modernes, heimisches und internationales Design, um ebenso für Kunden in Form zu bleiben, die bei so viel Tradition eine dicke Staubschicht wittern. Dem Boss der Silber Manufactur, Georg Stradiot, geht es allerdings nicht darum, einen silbernen Erbsenzähler bei irgendeinem Designabsolventen in Auftrag zu geben, um sich ein properes Designmäschlein umzuhängen. "Wir wollen uns etwas trauen", meint Stradiot und sagt weiter: "Es ist auch durchaus denkbar, Designern ein paar Kilo Silber zur Verfügung zu stellen und die machen dann einfach einmal." Gespräche gibt es bereits. Namen nennt der Chef noch keine. Man wird also sehen.

Das Geschäft selbst wurde vom Wiener Gestalter Michael Embacher entworfen, der ein schönes Stück Arbeit geleistet hat. Die Körper der Vitrinen sind aus Zwetschkenholz, über das man sofort streichen will. Der Boden besteht aus dunklem, gepresstem Lavastein, über den, wie eine Mitarbeiterin der Boutique erzählt, sogar ein Panzer fahren könnte. Und in der Wand eingebaut klotzt in den Dimensionen eines Riesen-Flat-Screens ein Safe aus dem Jahre 1870.

Das wäre jetzt alles noch nicht so unbedingt berichtenswert. Wie aus dem Ei gepellte Innenstadtgeschäfte sind keine Mangelware, feines Silber gibt's auch an anderen Ecken, und erfolgreich mit jungen Designern arbeiten längst auch so traditionelle Häuser wie Lobmeyr oder Augarten. Wäre da nicht die Faszination für ein Edelmetall und die Geschichte, die hinter dem Laden mit seinen 33 Quadratmetern steht. Diese geht ursprünglich auf die Silbermanufaktur Alexander Sturm zurück, die bereits 1882 gegründet wurde. Als Partner der Wiener Werkstätte erlebte das Haus eine glanzvolle Zeit, eine zweite Hochblüte waren die 50er- und 60er-Jahre, als die Wiener Tafelkultur erneut an Bedeutung gewann, ehe 1988 der Pleitegeier landete.

Ein Stück Wiener Tradition retten

Dass in der Firma mit ihren insgesamt 20 Mitarbeitern – 15 davon werkeln in der eigentlichen Manufaktur in Ebreichsdorf – überhaupt wieder an einer Zukunft geschmiedet wird, liegt weniger am Logo des vierblättrigen Kleeblatts, zugleich auch Punze der Silberobjekte, sondern am Engagement des Wiener Unternehmers Georg Stradiot, sozusagen dem heimischen Silver Surfer. Seine Mission: Rettung eines Stücks Wiener Tradition. Seine GVS-Holding – Stradiot macht in Immobilien, Land- und Forstwirtschaft und ist Besitzer von Schloss Stetteldorf am Wagram – gründete 2008 die Wiener Silber Manufactur, die mit allen Rechten des früheren Produktionsunternehmens ausgestattet ist. "Aus Respekt vor einer großen Geschichte und aus Leidenschaft für das Silberschmieden", wie er sagt. Besonders stolz ist Stradiot darauf, dass einer seiner Mitarbeiter als erster Handwerker seit 25 Jahren die Meisterprüfung als Silberschmied in Wien abgelegt hat. Und das am Tag der Geschäftseröffnung.

Dass Silber unter dem Image leiden könnte, eine Art kleine Stiefschwester von Gold zu sein, sieht Stradiot anders. "Ich gehe in Sachen Silber von seinem Wert für die Alltagskultur aus. Da liegt Silber, abgesehen von Schmuck, weit vor Gold. "Kein Mensch möchte bei uns mit Goldbesteck essen", das sei einfach eine Frage der Tradition, der Kultur. Klingt plausibel, man denke an goldfarbene Badarmaturen, an ein Notebook so golden wie Engelslocken oder an Audis legendären Silberpfeil in einer güldenen Version. Dennoch sieht der Business-Mann auch sein Edelmetall gerade in wirtschaftlich wackeligen Zeiten als taugliche Wertanlage, habe sich doch der Silberwert in den vergangenen drei Jahren immerhin verdreifacht.

Die Preise haben es in sich

Schwerentschlossenen in Sachen Weihnachtsgeschenke, die meinen, hier noch eine späte Inspiration erfahren zu haben, sei Folgendes gesagt: Preislich geht's mit einem kleinen Kleeblatt für 125 Euro los. Für ein fünfteiliges Besteck von Josef Hoffmann, damit findet allerdings lediglich ein Single-Haushalt ohne Besuchsrecht das Auslangen, nimmt man 1500 Euro, und das vierteilige Reise-Teeservice von Otto Prutscher geht für 21.000 Euro über die Zwetschkenholzladenbudel. (Der Standard/rondo/24/12/2009)