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Die Wirtschafts- nach der Talentestruktur bilden, nicht nachfragegesteuert ausbilden: Herzstück kreativer Ökonomie.

Foto: APA/Norbert Försterling

"Stellen wir uns vor, das zentrale Lernziel wäre eigensinnige Kreativität. Also jenes Element, das für jeden Menschen anders ist, aber bei jedem Menschen existiert (...), stellen wir uns vor, eine wahrnehmende Hand würde unsere Persönlichkeit erkennen. Und uns einzig und allein nach unserem individuellen Talent, unserer ganz eigenen Prägung verstehen und fördern (...)" - Matthias Horx ruft in seinem Trendreport 2010 archaische Sehnsüchte auf, wenn er vom Entfachen einer neuen Bildungsdynamik schreibt.

"Von einem Sortierklassensystem zu einer neuen Bildungsaufwärtsdynamik." Auch von ihr, so Horx, werde das Gelingen, das Bilden einer kreativen Ökonomie abhängen.

Neues Lernverständnis

Lernen als Resultat sozialer Verbindungen, nicht als Ergebnis eines genormten Prozesses - dass Hackordnungen, Zwangssysteme, Druck auf Kinder im Schulbereich noch eine ganz andere Welt zeigen, bestreitet Horx gar nicht, aber: Wir seien auf dem Weg zu einer Talent-kultur schon weiter, als wir glauben, argumentiert er mit Diskursen in der Pädagogik vor allem aus dem Norden Europas. Zeige doch auch das Generationenbarometer (Allensbach), dass 89 Prozent der heutigen Eltern als oberstes Erziehungsziel Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein erachten würden, dass 78 Prozent die persönlichen Fähigkeiten ihrer Kinder fördern wollen und dass mehr denn 60 Prozent der 16- bis 29-Jährigen sagen, dass ihre Mütter trotz Berufstätigkeit genug Zeit für sie hatten und haben.

Ein Bildungssystem, das lebenslanges Lernen bis ins hohe Alter systemisch möglich macht mit dem Imperativ der „Hochbildung", verstanden als kognitive Kompetenz bezüglich der eigenen Talente, nicht bloß bezüglich formaler Abschlüsse - „Talentismus" nennt das Horx -, heiße, in Angeboten zu denken, nicht in Nachfragen der Wirtschaft. Das Wirtschafts- und Kultursystem müsse sich den Talentstrukturen anpassen, nicht antizipierte Jobnachfragen und Berufsbilder ausbilden. In puncto Verteilung im Talentismus setzt Horx auf die Selbstorganisation komplexer Systeme mit variabler und vielfältiger Verteilung. Das würde auch die Jobs der Zukunft durchlässig und morphisch machen - jedenfalls ganz anders als die kleinen, fixen Organisationskästchen der industriellen Arbeitsteilung.

Nachwehen der Krise

Hintergrund: Die Autoren gehen davon aus, dass die Krise zu nicht-revidierbarer Suche nach neuen Orientierungen geführt hat und sich in den Nachwehen der Krise „Konturen einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung abzeichnen, die sich in diesem kommenden Jahrzehnt realisieren wird" - eben die kreative Ökonomie.
Für alle, denen das weit entfernte Visionen sind, hat Horx im Vorwort vermerkt, dass es sich beim (nunmehr siebenten) Trendreport wieder um kein systematisch-wissenschaftliches Werk handle, sondern um das Festhalten soziokultureller Trends. In puncto Einschätzung und in puncto Erfolg, was das „Wording" betrifft, waren die Trendreport-Denker in den vergangenen Jahren recht erfolgreich, etwa was die Karriere von „Selfness" auch in der Weiterbildungsindustrie oder was „Happyologie" betrifft. (Karin Bauer, DER STANDARD, Printausgabe, 24.12. - 27.12.2009)