Es ist Zeit, den Weihnachtsbaum in der Weihnachtshauptstadt anzuzünden" , rief der Conférencier dramatisch ins Mikrofon. Die fröhliche Masse, die sich in der Dunkelheit neben der Geburtsbasilika versammelt hatte, stimmte in den Countdown ein. Und dann erstrahlte schon zehn Tage vor Weihnachten die prächtige Dekoration, über dem Krippenplatz prasselte ein Feuerwerk.

Mit dem Weihnachtsmarkt in den Altstadtgassen, mit Ausstellungen und Konzerten versucht die Stadtverwaltung in der Vorweihnachtszeit zu zeigen, dass Bethlehem friedlich und sicher ist und dass die Besucher hier ein unvergessliches Erlebnis erwartet. Man ist aber in einem Dilemma, denn zugleich soll die Welt ja auch nicht vergessen, "dass wir von Mauern umgeben und immer noch unter Besetzung sind" , wie Bürgermeister Victor Batarseh bei jeder Gelegenheit betont.

Auch auf dem Korridor vor seinem Büro im Rathaus blinkt ein Christbaum, daneben winkt der verstorbene Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Lebensgröße von einem Foto herunter. Der 75-jährige Batarseh, katholischer Christ und von Beruf Arzt, zählt bitter auf, welche Schäden die Bürger seiner Stadt dadurch erleiden, dass sie von Jerusalem abgeschnitten sind. "Alles, was wir in unserem Alltag tun" , von der Gesundheitsversorgung über den Unterricht zur Olivenernte, sei betroffen.

Spenden aus dem Exil

Zugleich bestätigt der Stadtvater aber, dass er heuer die Gehälter der Gemeindeangestellten immer pünktlich bezahlen konnte, was in den Intifada-Jahren nicht gelungen war. Und "die Dekorationen in den Straßen sind viel besser als voriges Jahr" - die palästinensische Regierung hat extra 50.000 Dollar dafür bewilligt, und die Summe ist noch durch Spenden aus den USA und Chile ergänzt worden, wo viele christliche Exilpalästinenser leben. Im Jahr 2008 seien 1,25 Millionen Touristen und Pilger gekommen, heuer werden es wegen der globalen Krise nicht ganz so viele sein, aber "wir werden nächstes Jahr immer mehr Besucher haben, und deshalb braucht Bethlehem wenigstens 10.000 Hotelbetten" . Jetzt gibt es nur halb so viele.

Für Murad Afani, der vor der Basilika Touristengruppen fotografiert, ist die Welt aber in Ordnung: "Ich arbeite seit zehn Jahren hier, und ich denke, von der Zahl der Touristen her ist es das beste Jahr seit 2000, weil die Lage jetzt halbwegs ruhig ist zwischen Israelis und Palästinensern."

Die Israelis wollen demonstrieren, dass sie alles tun, um die Weihnachtsfreude nicht zu verderben. Zwischen Jerusalem und Bethlehem richten sie an den Feiertagen einen kostenlosen Shuttle-Dienst ein, am hässlichen Kontrollterminal beim Rachel-Grab soll man rasant abgefertigt werden. Die Jerusalemer Stadtverwaltung verteilt heute, Mittwoch, beim Jaffa-Tor gratis Christbäume.

Für die Palästinenser sind die israelischen Weihnachtsgesten aber bloß Kosmetik. Das Häufchen der Christen hat es wegen der Minderheitenrolle besonders schwer. "Wir sind wie Menschen im Kreuzfeuer, zwischen dem Feuer der israelischen Besetzung und dem Feuer des islamischen Drucks" , sagt Alex Awad, der Dekan des Bibel College in Bethlehem, das junge christliche Palästinenser für Führungsaufgaben in den Gemeinden und auch für Medienberufe ausbildet. (seg, DER STANDARD, Printausgabe 23.12.2009)