Juhu, wir protestieren!

Mit Euphorie, voller Elan, getränkt aus den bildungspolitischen Sorgen des Landes, machten sich SchülerInnen, LehrerInnen, KindergartenpädagogInnen, Studierende wie Lehrende im Jahr 2009 auf, um ihren Unmut kundzutun. Alle wollten sie teilhaben, alle, doch selten gemeinsam. Auf der Straße, am Verhandlungstisch, in den Weiten des Internets ebenso wie in den Hörsälen wollte man ein Zeichen setzen. Das Jahr der (bildungspolitischen) Proteste neigt sich dem Ende zu. derStandard.at blickt noch einmal auf die Proteste zurück.

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Protest for beginners

Der Beweggrund der SchülerInnen für die Proteste war primär die Abschaffung der schulautonomen Tage. Die SchülerInnen protestierten im April gegen die Maßnahme, die im Rahmen der Einsparungsgespräche zwischen Lehrergewerkschaft und Regierung ins Gespräch gebracht wurden.

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Schulautonome Tage bleiben

Durch die Abschaffung der schulautonomen Tage sollten Lehrer eine Woche im Jahr bei gleicher Bezahlung  mehr arbeiten und so - wenn dies schon keinen signifikanten budgetären Effekt ergibt - wenigstens für die SchülerInnen ein Nutzen sein. Das sahen die SchülerInnen anders. Ergebnis: Die schulautonomen Tage bleiben, zwei Tage müssen zu Christi Himmelfahrt und zu Fronleichnam für die Überbrückung von Fenstertagen herangezogen werden.

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Lehrer vs. Ministerin

Apropos LehrerInnen, oder besser gesagt: Lehrergewerkschaft. Diese wählte eine besonders gefinkelte Art des Protests, nämlich die Verhandlung, um Mehrarbeit für ihre Klientel abzuwenden. Im Glauben, hier ernsthaft was bewegen zu können, wurde ihr Gegenüber, Bildungsministerin Schmied, enttäuscht. Lediglich Zulagen für LehrerInnen werden gestrichen, die größte Last wurde in den Verhandlungmarathons geschickt einem Dritten zugeschanzt, der Bundesimmobiliengesellschaft. Diese muss nun auf die Mieteinnahmen der Schulgebäude verzichten. 

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Projekt Lehrerzähmung

Sitzfleisch bewiesen die Personalvertreter jedenfalls. Bildungsministerin Schmied forderte ursprünglich zwei Stunden der Lehrer-Arbeitszeit von der Vorbereitungszeit in die Klassen zu verschieben. Das Projekt Lehrerzähmung ist jedoch gescheitert, das Verhandlungsgeschick der Lehrervertreter wurde unlängst auch bei der Gehaltserhöhung der Beamten sichtbar. Die LehrerInnen verhandelten jedoch nicht nur, sondern gingen auch - teilweise gemeinsam mit den SchülerInnen - auf die Straße, um gegen die Veränderungen im Schulsystem zu demonstrieren.

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Kindergartenaufstand

Auch bei den KindergartenpädagogInnen brodelt es. Zu große Gruppen, zu wenig Personal, nach Bundesland unterschiedliche Bezahlung sowie Arbeitsbedingungen und eine Ausbildung fernab von universitären Strukturen werden von den Protestierenden als die größten Probleme angesehen. Schon im Sommer gab es erste kleinere Protestaktionen, im November fand schließlich eine große Demonstration statt, rund 14.000 Unterschriften wurden gesammelt, wdie schließlich dem Bundeskanzler übergeben wurden.

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Nur kleine Schritte

Die Probleme im Bereich der Vorschulpädagogik bleiben jedoch bestehen. Zwischen Ländern und dem Bund müssten Regelungen getroffen werden, wie immer ein Bohren dicker Bretter. Einen Erfolg können die (Wiener) KindergartenpädagogInnen jedoch vorweisen: Ihre Anfangsgehälter wurden signifikant erhöht.

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"Wessen Uni ? - Unsere Uni!"

Überraschend entwickelte sich im Oktober eine Demonstration, die von Studierenden der Akademi der bildenden Künste organisiert war, zu einer Besetzung des größten Hörsaals der Hauptuni Wien. Seit 22. Oktober sind die Proteste nun im Gange, kurz vor Weihnachten kam es jedoch zur Räumung der "Zentrale", des Audimax der Uni Wien. Gefordert wird von den Studierenden Bewegung im Bildungsbereich, nicht über alle Details der Forderungen herrscht Einigkeit. Geeint kritisieren sie die Bologna-Reform, die mangelnde Finanzierung der Unis und die Verschulung der Universitäten.

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#unibrennt

Der Protest breitet sich rasch aus, an anderen Universitäten in Österreich und Deutschland wurden Hörsäle besetzt. Den Studierenden kam jedoch recht schnell ihr Gegenüber abhanden: Wissenschaftsminister Johannes Hahn geht als Kommissar nach Brüssel, ein/e Nachfolger/in steht noch nicht fest. Am Anfang gingen Zehntausende auf die Straßen und beteiligten sich im Internet und im "real life" an den Protesten. Über Twitter und ihre eigene Homepage organisierten sich die Studierenden. 

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"Advent, Advent, die Uni brennt"

So organisiert die Studierenden auch waren, mit der Zeit schlich sich eine gewisse Trägheit in den Protest ein. Nur noch wenige Studierende hielten sich im Audimax auf, unterstützt von Obdachlosen, die Zuflucht vor dem kalten Winter suchten. Die geeinte Bewegung musste im Dezember bemerken, dass die Positionen und Ausgangsbedingungen an den verschiedenen Universitäten voneinander abweichen. So konnten einige Universitäten den Protest mit einer Übereinkunft zwischen Uni-Leitung und Studierenden beenden. Erhalten bleiben soll der Diskurs in den Arbeitsforen, zu denen das Wissenschaftsministerium eingeladen hat. Bis zum Sommer soll in den fünf Gruppen über die Zukunft der Hochschulen geredet werden.

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Das Jahr neigt sich dem Ende hin, die Probleme bleiben. Der überwiegende Teil der Forderungen wurde nicht erfüllt, dem Bildungssystem mangelt es an Geld und einer Reform aller Bildungssektoren. Solange die Veränderungen nicht merkbar sind, wird es auch im kommenden Jahr mit den Protesten weitergehen. Auf der Straße und in Verhandlungen. (seb, derStandard.at, 28.12.2009)

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