Spurlos verschwunden ist die Grenze zwischen Schattendorf, Ágfalva und dem nahen Sopron. Demnächst wird der Schotterweg auch asphaltiert.

Foto: Standard/Weisgram

Loipersbach markiert seinen Weg in die Mutterpfarre Agendorf mit einem sperrigen Stein, der dem Gedanken von Schengen trotzt.

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Wahrscheinlich wäre es übertrieben zu behaupten, Alfred Grafl sei ein vorbildlicher Politiker. Aber wer den roten Bürgermeister des burgenländischen Schattendorf je erlebt hat, wie er in einem vollbesetzten Wirtshaus ins dumpfe Stammtischgeschwurbel fährt, als hätte ihm der Heilige Geist gerade ein Pfingsterlebnis gewährt, kommt um diesen Eindruck nicht herum.

der Standard durfte ihn diesbezüglich schon mehrmals erleben. Denn immer, wenn einer im Hochgefühl des x-ten Spritzers anfängt, die Offenheit der Grenze, an der Schattendorf liegt, zu schmähen, erlebt Alfred Grafl sein Pfingsten. Und dann wird der ansonsten so stille, rhetorisch keineswegs brillante Mann zum Apostel, der für jede Untiefe des Volkes die rechte Zunge findet. Auch das ist Populismus: dass einer dem Volk nicht nur aufs Maul schaut, sondern ihm über dieses zuweilen auch fährt.

"Wir wollen" , ruft dieser Alfred Grafl dann in den Stammtisch hinein, "die Chance aufbereiten für die nächste Generation." Da kann einer noch so mit Spritzern aufmunitioniert sein: Dagegen ist nichts zu sagen. Also legt Alfred Grafl nach: "Schaut's euch doch um, Schengen hat uns weitergebracht."

"Eh, eh" , murmelt der Stammtisch. Und dieses "Eh, eh" ist, kurz zusammengefasst, was Schattendorf zu einer geradezu vorbildlichen Schengen-Gemeinde macht.

Unsere Chance

"Wir haben" , sagt Hans Lotter, Vizebürgermeister und designierter Nachfolger von Alfred Grafl, "von Anfang an gesagt: Das ist unsere Chance." Deshalb hat es auf Schattendorfs grenzüberschreitenden Feldwegen nie ein Fahrverbot gegeben. Unlängst wurde feierlich verkündet, dass der Feldweg ins benachbarte Ágfalva/Agendorf mithilfe eines Transborder-Projekts der EU asphaltiert wird. Allfälliger Widerstand von Schattendorfern ist nicht gebrochen, aber spürbar erlahmt. "Ich glaube schon" , sagt Hans Lotter, "dass eine überwältigende Mehrheit dafür ist."

Natürlich, sagt er auch, sei ein wenig Glück dabei gewesen. Eine Einbruchsserie im vergangenen Jahr hat die Schattendorfer einigermaßen verunsichert. Dann aber habe sich - "durch die Aufmerksamkeit von Assistenzsoldaten" - der wahre Täter dingfest machen lassen: ein Schattendorfer. Nicht, dass das ein Triumph für Alfred Grafl gewesen wäre. Aber der Stammtisch war dann schon etwas schmähstad.

Grundiert wurde der grenzenlose Schatterndorfer Weg auch oder vor allem durch kulturelle Aktivitäten. Der von Hans Lotter ins Leben gerufene "Kulturreigen" war von Anfang an grenzüberschreitend angelegt. Erwin Kurz gibt mit Unterstützung der Gemeinde die hochinteressante Zeitschrift Aus der Pforte heraus. Der Titel bezieht sich auf die "Ödenburger Pforte" , die sich jener Gemeinden annimmt, die bei einem normalen Lauf der Geschichte längst schon eingemeindete Vororte von Sopron/Ödenburg wären. Und nun in irgendeiner Form wohl auch werden. Hans Lotter ist davon jedenfalls überzeugt. Zwei weitere Straßenprojekte und gemeinsame kommunale Projekte wie Altenbetreuung und Kooperationen bei Schule und Kindergarten stehen jedenfalls auf seiner Agenda.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel der Nachbargemeinde Loipersbach, das mit Agendorf historisch viel enger verbunden ist. Immerhin ist das evangelische Ágfalva die Muttergemeinde des evangelischen Loipersbach. Dennoch hat sich der rote Bürgermeister, Herbert Tschürtz, dazu entschlossen, die Brücke an der Grenze mit einem Granitblock für den Autoverkehr zu sperren.

Als sollte für alle Ewigkeit markiert werden, wo da die Grenze zu verlaufen habe. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2009)