Adina Mornell ist Professorin an der Kunstuniversität Graz. Die Pianistin und Musikpsychologin erforscht seit zehn Jahren das Phänomen Lampenfieber und hält Seminare zum Thema. Soeben ist das von ihr herausgegebene Buch "Art in Motion: Musical and Athletic Motor Learning and Performance" erschienen.

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STANDARD: Ist Lampenfieber weit verbreitet?

Mornell: Laut Studien sind zwischen 24 bis 70 Prozent betroffen, es ist eine Berufskrankheit.

STANDARD: Welche Ängste haben Musiker?

Mornell: Selbst sehr erfolgreiche Musiker fürchten, dass ihr nächster Auftritt schiefgeht. Es gibt auch jene, die vor dem eigenen Erfolg Angst haben und davor, besser zu sein als ihre Kollegen. Auch Druck von außen durchs Publikum spielt eine Rolle, oder die Angst um den Job.

STANDARD: Wie äußert sich Lampenfieber?

Mornell: Durch Zittern, Herzrasen oder Schwitzen. Es treten selbstabwertende Gefühle auf. Oft fehlt die Vision des Erfolgs.

STANDARD: Hängt es vom Charakter ab?

Mornell: Nein, es gibt Betroffene, die eher ängstlich sind, aber auch selbstbewusste Menschen. Interessant ist aber, dass Orchestermusiker, die kaum Kontrolle über die Stückauswahl oder das Spieltempo haben, eher zu Lampenfieber neigen.

STANDARD: Bekämpfen Musiker Lampenfieber mit Medikamenten?

Mornell: Betablocker sind viel zu leicht erhältlich und werden trotz ihrer Nebenwirkungen als schnelle Problemlöser eingesetzt. Tatsächlich wirken sie nur gegen körperliche Symptome wie Zittern. Unter diesen Medikamenten ist eine Spitzenleistung nicht garantiert, dafür benötigt der Interpret das gesamte Energiespektrum des Körpers.

STANDARD: Gibt es ein Mittel gegen Lampenfieber?

Mornell: Musiker sollten Entspannungstechniken lernen. Für die Vorbereitung auf Konzerte ist es wichtig, ein Musikstück nicht nur auf motorischer Ebene perfekt zu beherrschen, sondern es auch analytisch zu durchdringen. Auch richtige Ernährung und ausreichend Schlaf gehören dazu. Es ist übrigens ein Mythos, dass Lampenfieber mit wachsender Erfahrung schwindet, Barbra Streisand ist ein gutes Beispiel dafür.

STANDARD: Was ist positiv am Lampenfieber?

Mornell: Erhöhte Aktivierung ist eigentlich normal und gesund. Durch mentales Training kann man lernen, die Erregtheit positiv zu deuten. Denn Lampenfieber kann Künstler auf der Bühne auch zu Höchstleistungen bringen. (DER STANDARD, Printausgabe, 21.12.2009)