Das Bildungssystem ist sozial ungerecht, teuer und ausländerdiskriminierend.

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Ein Problem, das man nicht löst, bleibt weiter ein Problem. So lässt sich die fortgesetzte Misere im österreichischen Bildungssystem trefflich charakterisieren. Nicht nur, dass gerade Kinder aus Einwandererfamilien, die aufgrund ihrer Doppelsprachigkeit Förderung besonders brauchen, seltener den Kindergarten besuchen als "einheimische" - und so um eine spielerische, aber fürs ganze Leben eminent wichtige, frühe Sprachaneignung umfallen. Darüber hinaus werden schon mit neuneinhalb Jahren  - so früh wie sonst in der EU nur noch in Deutschland - die Weichen für die künftige (Bildungs)karriere gestellt. Die einen kommen in die Haupt-, die anderen in die Mittelschule: hier die künftigen Arbeitslosen, dort die künftigen Steuerzahler. Und an den Unis sitzen vor allem Kinder von Uniabsolventen, anteilsmäßig weit mehr als sonst in der EU.

Kurz: das Bildungssystem ist sozial ungerecht, teuer und ausländerdiskriminierend. Es sorgt mit dafür, dass Österreich so bleibt wie es ist: ein Land der Reformstaus und der Scheinlösungen, nicht nur im Bildungsbereich. Und es ist in Teilen wahrscheinlichmenschenrechtswidrig: ein Umstand, dem bisher zu wenig Bedeutung zugemessen worden ist und auf den zuletzt die Liga für Menschenrechte (www.liga.or.at) in ihrem Menschenrechtsbefund 2009 hiungewiesen hat.  Denn Bildung ist ein soziales Grundrecht: in der europäischen Grundrechtscharta, die zusammen mit dem Vertrag von Lissabon seit 1.Dezember 2009 in Kraft getreten ist, ist es in Artikel 14 festgeschrieben. Als ein Recht, zu dem alle ohne Diskriminierung (Artikel 21) gleichen Zugang haben, egal ob ihre Eltern Arbeiter oder Uniprofessoren, oberösterreichische Landwirte oder aus Bosnien eingewanderte Gemüseverkäufer sind. Das laut einer für Österreich verbindlichen UNO-Konvention übrigens auch Behinderten zukommt, auf allen Bildungsbenen und für jeden Abschnitt des lebenslangen Lernens.

Was eine solche Betrachtung nutzt? Sie kann zum Beispiel die Optik schärfen, auf dass die fortgesetzte Vergeudung von Talent endlich als jener Skandal erkannt wird, der er ist. Und sie kann zu Überlegungen führen, die Bildungszugangsregeln mittelfristig dem Europäischen Gerichtshofs (EUGH) in Luxemburg vorzulegen. Liga-Präsidentin Barbara Helige hält es immerhin für durchaus möglichg, dass das gesamteuropäische Höchstgericht in Österreich hier mittelfristig Problemlösungsbedarf feststellt.

Irene.Brickner@derStandard.at