Bei zwei Medienkapitänen dieses Landes, aus dem tiefsten Schlaf gerissen, kann man sicher sein, dass sie mit dem Ruf auffahren: Wir machen die beste Zeitung! Das hat weniger mit der Realität zu tun, das ist ein mühsam antrainierter Reflex. Der eine ist Wolfgang Fellner von "Österreich", der andere Michael Fleischhacker von der "Presse". Verlässt sich Fellner dabei am liebsten auf sein eigenes Urteil, was auf geistig-kommerzielle Selbstständigkeit schließen lässt, stützt sich Fleischhacker, entgegen seinem im Selbstverleih erworbenen Ruf, sich nix drauszumachen, gern auf das Urteil anderer, wobei er nicht einmal vor dem des Branchenblattes "Der österreichische Journalist" zurückschreckt.

So ausgerüstet, konnte er Mittwoch wieder einmal vom Ruhm der "Presse" unter seiner glorreichen Leitung künden. Die Branche - Chefredakteure, Medienjournalisten und frühere Preisträger - wurde vom Fachmagazin "Der österreichische Journalist" zur alljährlichen Wahl der Journalisten des Jahres eingeladen. Keiner der Juroren durfte Mitglieder der eigenen Redaktion auszeichnen, es handelt sich tatsächlich um das Votum der Konkurrenz. Die kürte erneut, mit noch größerem Abstand als 2008, die Journalistinnen und Journalisten der "Presse" zur besten Redaktion des Jahres. Die Chefs der "Presse am Sonntag" erhalten zudem gemeinsam mit mir den Sonderpreis in der Kategorie Qualität.

Dazu einmal neidlos: Herzlichen Glückwunsch! Da steckt ja wirklich viel Arbeit dahinter, nicht zuletzt jene des Herrn Georg Taitl vom "Österreichischen Journalisten", der die verantwortungsschwere Mühe auf sich genommen hat, seine persönliche Vorwahl in Form einer lange Liste zusammenzustellen, aus der die Branche nach eventueller Ergänzung dann nach einem Punktesystem ihre Nachwahl traf.

Leider hat sich nicht jeder und jedem erschlossen, wie genau diese Liste zustande kam. Ein Verdacht auf Willkür veranlasste etwa die Chefredakteurin des Standard, sich an der Umfrage nicht zu beteiligen. Sie konnte sich nicht recht erklären, wieso etwa in der Gruppe der Wirtschaftsjournalisten vier der zwölf gelisteten Redakteure von der "Presse" stammten, vom Standard als einzige Renate Graber, aber nicht einmal der Ressortleiter als der Teilnahme für würdig erachtet wurden. Auch im Bereich Kultur war "Die Presse" mit sechs von 25 Nominierten auffallend gut bedient.

Umgekehrt wurde in diesem Bereich für den Standard als einziger Claus Philipp nominiert, der das Haus vor 15 Monaten verlassen hat und - wie die Ressortleiterin monierte - derzeit höchstens zum beliebtesten Kinochef gewählt werden könnte. In der Gruppe Kolumnisten war Daniel Glattauer nominiert, den die Standard -Leser schon seit längerem schmerzlich vermissen. Der Chefredakteurin wiederum half es nichts, die Teilnahme an der Umfrage abgebrochen zu haben, sie fand sich dennoch auf der Liste derer, die abstimmten.

Die Verweigerung war nicht nur darin begründet, dass ihre Frage, wie überhaupt jemand auf Taitls Liste kommt, unbeantwortet blieb. Für manche Medien scheinen die Ressortleiter selbstverständlich auf, für andere nicht. Ebenso wenig wurde diesmal klargestellt, dass man nicht für Mitglieder der eigenen Redaktion stimmen darf. Bei anderen Journalistenpreisen steht diese ethische Selbstverständlichkeit sogar in den Statuten. Diesmal gab es weder eine diesbezügliche Anmahnung noch Antwort auf eine diesbezügliche Nachfrage. Hingegen gab es eine flaue Ausflucht des Organisators. Sich selbst wählen wäre bei Journalistenpreisen wichtig, weil ja nur eine kleine Jury bestimmt. Bei uns ist die Jury sehr groß, darüber hinaus haben wir natürlich nicht die absolute Punktezahl genommen, sondern das statistische Mittel (ich glaub, das heißt so). Dadurch fallen die, die sich nur selbst mit 10 Punkten wählen, praktisch raus. Wohin die fallen, die sich nur selbst mit, sagen wir, acht Punkten wählen, entzog sich dem Reglement.

Aber ein Ehrenmann wie Fleischhacker würde sich ohnehin niemals selbst wählen. Er ist ohnehin reich beschenkt mit den 7 Newspaper-Awards, die "Die Presse" zusätzlich kassieren konnte. Die vergibt "Die Presse" zusammen mit der Branchenzeitschrift "Der österreichische Journalist". Die Vorfreude ist groß: Die 7 Preise - die meisten für eine österreichische Zeitung - bekommt die "Presse" beim Europäischen Zeitungskongress nächsten April in Wien. Da wird sicher noch einmal gefeiert.(Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 19./20.12.2009)