(Wohnküche in einer einfach eingerichteten Wohnung. Ein Christbaum. Kerzen und Sternspritzer abgebrannt. In der Abwasch türmt sich Geschirr. Um den Tisch drei Knaben, Neun, Elf und Vierzehn. Sie spielen ein Brettspiel.)

ELF (würfelt, zieht): Chance. (Er nimmt eine Karte, liest vor:) "Das Unternehmen, dessen Direktor du bist, hat hohe Verluste gemacht und deshalb 300 Arbeitsplätze eingespart. Du erhältst 20 Millionen Euro Bonus."

VIERZEHN (gibt ihm Spielgeld, nimmt den Würfel, würfelt, zieht): Sparkasse. (Er nimmt eine Karte von einem anderen Stoß.) "Für eine Beratung in Steuerfragen erhältst du ein Honorar von sechs Millionen Euro." (Er gibt sich Spielgeld und die Würfel an Neun weiter.)

NEUN (würfelt, zieht): ...sechs, sieben, acht. Chance. (Er nimmt eine Karte.) "Du bist beim Zeitungsdiebstahl erwischt worden und musst für eine Runde ins Gefängnis." (Er stellt seine Spielfigur auf das Feld "Gefängnis".)

ELF (würfelt, zieht): Kärntner Straße. Gehört mir. Ich baue ein Hotel. Was kostet das?

VIERZEHN: Zu viel für dich. Aber ich würde dir deine Fluglinie abkaufen.

ELF: Nein, lieber drucke ich nach. (Er stempelt einige rosarote Zettel und reicht sie Vierzehn.) Achthundert, reicht das?

VIERZEHN: Ja. (Er stellt einen roten, hausförmigen Spielstein auf das Feld "Kärntner Straße", nimmt die Würfel, würfelt, zieht.) Sparkasse. (Er nimmt eine Karte, liest vor:) "Aufgrund von Spekulationsverlusten steht deine Bank vor der Pleite. Zu ihrer Rettung erhältst du von jedem Mitspieler zehn Milliarden Euro."

NEUN: Scheiße... (Er reicht ihm Spielgeld.)

ELF: Wart' nur, wenn du in die Kärntner Straße kommst! (Er stempelt einen leeren gelben Zettel und reicht ihn Vierzehn, nimmt die Würfel, würfelt, zieht.) Elektrizitätswerk. Gehört mir selber.

VIERZEHN (nimmt die Würfel, würfelt, zieht): Sparkasse. (Er nimmt eine Karte und liest vor:) "Wegen Bilanzfälschung wirst du entlassen und erhältst eine Abfindung von fünfzehn Millionen Euro." (Er nimmt sich Spielgeld und gibt die Würfel an Neun weiter.)

NEUN (würfelt, zieht): ...neun, zehn, elf. Chance. (Er nimmt eine Karte und liest vor:) "Für falsches Parken zahlst du eine Strafe von fünf Euro." Das ist unfair, immer erwischt es mich!
(Die Tür geht auf und eine Frau um die vierzig tritt ein. Ihre Augen sind verweint.)

VIERZEHN (besorgt): Mama! Was ist los? Geht es dir nicht gut?

DIE MUTTER: Geht schon, geht schon. Es kommt nur grad viel zusammen. Gekündigt bin ich worden, die Miete ist fällig, beim Türken lassen sie mich nicht mehr anschreiben, und beim Falschparken haben sie mich auch erwischt. Aber - (sie wischt sich die Tränen ab) - wird schon irgendwie gehen, geht schon irgendwie... Und ihr? Was macht ihr?

NEUN: Wir spielen das neue DKT.

DIE MUTTER: Lustig?

ELF: Ur.

(Vorhang)