Zur Person
Reinhard Böhm ist Klimatologe an der Wiener Zentralanstalt für Meteorologie. Er publizierte zum Klimawandel das Buch "Heiße Luft" im Verlag Vabene.

Foto: Standard/Urban

Warum, erklärte er Johanna Ruzicka.

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STANDARD: Die Klimaverhandlungen in Kopenhagen sind ins Stocken geraten. Möglich, dass es zu keinem Abkommen kommt. Wäre das nicht extrem schlecht fürs Erdklima?

Böhm: In Kopenhagen geht es nicht ums Klima; bestenfalls geht es um ein für mich nicht greifbares Konstrukt namens Klima. Da werden einerseits Weltuntergangsszenarien bedient, andererseits können die Verhandlungsteilnehmer ihre nationalen Eigeninteressen nicht hintanstellen.

STANDARD: Daran sind doch die Klimaforscher selbst schuld. Ihre Branche hat die Szenarien lanciert, die Überflutungen und Hurrikans profezeien, wenn nichts geschieht?

Böhm: Wir Klimaforscher sind da Getriebene. Es herrscht wissenschaftliche Einigkeit über eine Reihe von Aussagen - ich nenne das die gute Daten zur Erderwärmung. Aber die öffentliche Meinung verlangt, und die Medien beschreiben immer die schlechtesten Szenarien, die mit den Extremwerten. Da frage ich mich schon, welchen Interessen es dient, wenn Angst geschürt wird. Eine Konkurrenzzeitung hat darüber geschrieben, dass in zwei, drei Generationen das Ende der Welt bevorsteht. Man braucht Schlagworte und spitzt Extremaussagen dann nochmals zu. Das ist schlecht.

STANDARD: Was ist gesichert?

Böhm: Es herrscht Einigkeit darüber, dass es eine menschlich mitverursachte Erwärmung, ein Schmelzen der Gletscher und einen Meeresspiegelanstieg gibt. Keine fundierte Aussage gibt es zu den Hurrikans - und es gibt zum Beispiel keinen Beleg dafür, dass Stürme in unseren mittleren Breiten zunehmen werden, so wie es keinen Beleg dazu gibt, dass sie in den letzten 150 Jahren zugenommen haben.

STANDARD: Also kein Beinbruch, wenn der Klimagipfel scheitert?

Böhm: Meiner Meinung nach gibt es drei Wege in die Zukunft, und Kopenhagen steht nur für einen Weg. Nämlich den, dass mittels internationaler Verträge möglichst viel Treibhausgas eingespart wird. Das ist das sogenannte grüne Szenario. Mir fehlt allerdings der Glaube, ob so etwas durchführbar ist, besonders weltweit. Und ob so etwas fair durchsetzbar ist, ist auch fraglich. Der Vorstellung, dass wir mit diesem Weg in eine Klimadiktatur schlittern könnten, die besteht.

STANDARD: Die anderen Wege?

Böhm: Der zweite Weg ist die "hässliche Globalisierung" . Mit Kriegen und noch weiter steigenden Unterschieden beim Wohlstand in der Welt. Das hieße dann vier, viereinhalb Grad mehr. Mit und ohne Kopenhagen hoffe ich auf einen dritten Weg: Dass eine breite Globalisierung einsetzt, bei der die Wirtschaft wieder mehr darauf kommt, dass sie Kunden braucht für ihr Business. Bei diesem dritten Weg macht sich die Wirtschaft von selbst auf den Weg, ihre Kunden Produkte anzubieten, die ressourcenschonend und energiearm sind. Damit würde auch der weltweite Wohlstandsunterschied kleiner, weil das ein Erfolgsmodell ist. In so einer Welt wächst die Erdbevölkerung nicht mehr weiter, damit ersparen wir uns viel Geld, das wiederum in neue Technologieentwicklungen fließen könnte.

STANDARD: Da die Ressourcen, und nicht nur das Erdöl, sowieso weniger werden, müssen wir uns auf die Suche nach neuen Technologien machen?

Böhm: Ja, das ist das Argument. Wir müssen sowieso weg von der fossilen Lebensweise. Aber das Klimaargument sollte dabei nicht so stark im Vordergrund stehen und dabei andere, vielleicht zielführendere Argumente beiseite drängen. (DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2009)