Wien - Will man sich's in Wien schwer machen, versucht man zwischen Musikverein und Konzerthaus eine weitere Musikstätte aufzubauen, die anspruchsvoll-durchdachte Programme bietet. Clemens Horvat, warum auch immer, hat sie aufgebaut, genauer: Er hat fast alles selbst gemacht. Programmieren. Geduldig Künstler ansprechen. Karten abreißen. Sich ums Licht kümmern. Klaviere herumschieben. Und Journalisten mit automatenhafter Beharrlichkeit auf Highlights aufmerksam machen.

Das meiste ist für den gelernten Nachrichtenelektroniker bis heute wohl gleich aufwändig geblieben. Der hauptsächliche Lohn: Mittlerweile gilt Horvats Arbeit, die im traditionsreichen Ehrbar-Saal Konzerte mit literarischem Bezug bringt, auch international in Künstlerkreisen als ziemlich einmalig. Das Prinzip Selbstausbeutung ist dabei ein ständiger Begleiter, klar. Dass das Unternehmen auch mitunter vor dem Ende stand auch.

Immer wieder - und das zeigt die Substanz des Projektes - kam es zu märchenhaften Wellen der Sympathie, von denen der Wiener Kulturstadtrat Alexander Mailath-Pokorny brieflich überschwemmt wurde - mit dabei eine der größten Sängerinnen des 20. Jahrhunderts, Anja Silja: "Ich bin seit 56 Jahren in diesem Beruf, aber noch nie habe ich jemanden wie Herrn Horvat erlebt, der mit höchst ungewöhnlichem und ganz persönlichem Einsatz und Risiko diese Konzerte und Lesungen organisiert", beschrieb sie ihre Erfahrungen. Noch etwas ungewöhnlicher die Worte von Schauspielern wie Karl Markovic ("Ich werde Herrn Horvat die 550 Euro Abendgage zurückzahlen!") oder Udo Samel ("Nun bin ich es, der sich schämt, überhaupt eine kleine Gage bekommen zu haben ...").

Diese alte Liste jener, die vor Jahren ihre Abende im Ehrbar-Saal absolvierten, in dem einst Brahms, Liszt und Mahler von der tollen Akustik profitiert haben, ließe sich ewig fortsetzen. Ist aber nicht nötig. Es gibt eine aktuelle. Nun hat Geiger Christian Altenburger, der im Ehrbar-Saal aktuell einen Zyklus gestaltet, einen von Künstlern wie Franz Welser-Möst, Markus Hinterhäuser, Angelika Kirchschlager, Elisabeth Leonskaja und Peter Seifert unterzeichneten Brief verfasst. "Die Programme sind gut überlegt, es fällt auf, dass Herr Horvat profunde Kenntnisse hat. Solche Abende kann man woanders nicht hören, zudem eignet sich der Saal akustisch hervorragend für Kammermusik. Dieser Idealismus gehört unterstützt. Das Ziel: Man sollte der Stadtinitiative und Herrn Horvat durch eine solide finanzielle Basis die Chance geben, auf würdigem Niveau arbeiten zu können."

Horvat selbst will eigentlich nicht jammern. "Ich weiß, dass es seitens der Stadt Wien Wohlwollen gibt. Die Stadtinitiative bekommt mittlerweile ja 40.000 von der Stadt, 6000 Euro vom Bund. Ich hätte früher davon gar nicht träumen können. Aber um eine tragfähige Situation zu bekommen, um auch etwas Werbung machen zu dürfen, reicht das nicht." Altenburger: "Werbung bringt Publikum. Ganz klar."

Wenn sich nichts tut, kann es denn auch sein, dass Horvat Mitte 2010 das letzte Konzert organisiert. Eine Erklärung liefert die sich nun wieder brieflich einsetzende Frau Silja: "Auf die Dauer wird auch der größte Idealist müde." Ein Ende der literarisch-musikalischen Ereignisse wäre jedoch peinlich und schade. Wie meint doch brieflich aktuell Gesangsweltstar Dame Felicity Lott: "I think the Ehrbar-Saal is a kleine Wunder!"

Horvat: "Es geht ja nicht darum, Geld zu scheffeln. Es gibt nur eben Notwendigkeiten, wenn man auf dem erreichten Niveau arbeiten will. Man will ja auch nicht gleich zittern müssen, wenn einmal ein Konzert nicht so toll besucht war. Die Eis ist schon sehr dünn. Nur: Ich mache ja eh alles praktisch allein, es gibt keine Organisationskosten, manchmal bekomme ich halt ein Mindestgehalt." (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2009)