Zu spät ist manchmal genau richtig. Als Sisi das erste Mal bei Hof wie ein Wirbelwind hereinweht, weil sie sich in der weitläufigen Anlage verlaufen hat, ruht der Spot auf ihr. Franz Joseph wendet den Kopf und fixiert die junge Frau mit seinem Blick. Sie kann ihre Äuglein nicht mehr still halten. Welch entwaffnende Natürlichkeit! Vergessen, dass sie gegen die Etikette verstößt und der Rest der Anwesenden ein Gesicht zieht, als hätte man in saure Zitronen gebissen.

Foto: ORF/Sunset Film/Bernhard Berger

Überraschendes, das weiß man schon nach dieser ersten Begegnung, darf man von Xaver Schwarzenbergers elf Millionen Euro teurer Neuauflage von Ernst Marischkas Sissi-Trilogie nicht erwarten. Ein wenig mehr Haut, wenn sich die Frischvermählten in der Hochzeitsnacht im Freien räkeln oder Sisi auf ihr Recht auf ein Vollbad besteht. Ein wenig mehr emanzipatorisches Drängen, wenn sich die Kaiserin nicht an ihre angestammte Rolle des Repräsentierens hält und in die Weltpolitik einzugreifen gedenkt.

Foto: ORF/Sunset Film/Bernhard Berger

All das erscheint in Sisi - nun nur mit einem historisch korrekten "s" - aber im altmodischen Routinekorsett einer Seifenoper, in der uns die Musik beim Einfühlen behilflich ist, während sprachliche Nuancen im Koproduktionsesperanto verlorengehen. Die weniger erbaulichen Seiten im Leben der Kaiserin, ihre Gebrochenheit, ihre Neurosen, ihre wachsende Entfremdung, haben beim Recycling einer TV-Folklore natürlich nichts zu suchen.

Foto: ORF/Sunset Film/Bernhard Berger

Aber wer braucht eigentlich einen "historischen Liebesfilm", in dem sich fast nichts bewegt? Ist das ORF-Programm so reich an Fernsehfilmen mit zeitgenössischer (oder zumindest origineller) Thematik, dass man sich ein wenig luxuriösen Kitsch leisten mag? Zu spät ist manchmal einfach nur zu spät. (Dominik Kamalzadeh/DER STANDARD, Printausgabe, 18.12.2009)

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