Europa blickt schockiert auf Griechenland, das sich auf dem Weg in den Staatsbankrott befindet. Finanzminister Papakonstantinou selbst gab in diversen Interviews zu: "Wir haben einen Totalverlust an Glaubwürdigkeit" . Mehrere Athener Regierungen hatten mit gefälschten Haushalts- und Schuldenzahlen zuerst den Zugang zum gemeinsamen Währungsraum erreicht und dann die Partner wiederholt über das wahre Ausmaß der Krise getäuscht. Nach dem Sieg der linken Pasok Anfang Oktober bei den Parlamentswahlen enthüllte die neue Regierung, dass das Haushaltsdefizit heuer von sechs auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schnellen würde, obwohl in der Eurozone nur drei Prozent erlaubt sind. Seinerzeit hatte übrigens die konservative Karamanlis-Regierung die Sozialisten beschuldigt, den Beitritt zur Eurozone mit gefälschten Daten erschwindelt zu haben.

Dass Regierung und Opposition in Athen einander beschuldigen, mit Taschenspielertricks zu arbeiten, sei nichts Neues, meint der Balkankorrespondent der FAZ, der zu Recht mit Hinweis auf die Waldbrandbekämpfung und die Asylpolitik eine "institutionalisierte Verantwortungslosigkeit" feststellt. Man darf auch die Tatsache nicht vergessen, dass die griechischen Regierungen auch stets bereit waren, mit nationalistischem Populismus, etwa gegen die Nachbarrepublik Mazedonien, die Aufmerksamkeit von der Verantwortung für die Finanzmisere abzulenken und dadurch die Zusammenarbeit auf dem Balkan zu stören.

Wegen der ausufernden Verschuldung mit einem geschätzten Schuldenstand von 125 Prozent des Bruttoinlandsproduktes im nächsten Jahr statt der von der Eurozone vorgeschriebenen Schuldenquote von 60 Prozent diskutiert man heute offen über die mögliche Exit-Strategie. Angesichts eines Schuldenstandes von 300 Milliarden Euro hat die Ratingagentur Fitch die Bonität des Landes von A- auf BBB+ heruntergestuft, die schlechteste Bewertung, die ein Euroland seit der Einführung der Gemeinschaftswährung hatte. Griechenland ist in jeder Hinsicht ein trauriges Schlusslicht in der Eurozone.

Kann und soll nun Griechenland seine enormen Probleme aus eigener Kraft lösen und durch harte Sparmaßnahmen das überbordende Defizit in den Griff bekommen? Die Krisenrede von Ministerpräsident Papandreou hat eher die skeptischen Beobachter bestätigt, da der Premier wirklich schmerzliche soziale Einschnitte bisher vermieden hatte. Eine Insolvenz Griechenlands könnte aber einen Flächenbrand auslösen mit unabsehbaren Folgen auch für Spanien, Portugal, Irland und Italien. Soll die EU direkt oder indirekt doch Hilfszahlungen beschließen und damit wieder einmal den Griechen die chirurgischen Schnitte ersparen? Oder sollte Griechenland noch vor dem Kollaps die Eurozone verlassen?

Eine bedingungslose Rettung kommt wohl nicht infrage, doch wo liegt die Schmerzgrenze für die Partner und für die Athener Regierung, auch angesichts der Gefahr einer sozialen Explosion? In der europäischen Finanzwelt tickt eine Zeitbombe, und wie es Angela Merkel kürzlich zum ersten Mal andeutete: Die gemeinsame Verantwortung erfordert gemeinsame Maßnahmen, da die Probleme eines Mitgliedslandes doch gleich alle betreffen.(Paul Lendvai, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 17.12.2009)