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Dass nichts zum Sparen überbleibt, ist noch das geringste Problem für die eine Million armutsgefährdeten Menschen in Österreich.

Foto: AP Photo/Thomas Kienzle

Wien - Die Armutsgefährdungsschwelle für Alleinlebende betrug in Österreich für das Jahr 2008 951 Euro pro Monat. Für jeden weiteren Erwachsenen im Haushalt erhöht sie sich um 475 Euro, für jedes Kind um 285 Euro. 1.018.000 Menschen galten im vergangenen Jahr nach dieser Berechnung als armutsgefährdet, etwa 492.000 davon lebten in manifester Armut.

Das geht aus aktuellen Ergebnissen zu Einkommen, Armut und Lebensbedingungen in Österreich auf Grundlage von EU-SILC (Statistics on Income and Living Conditions) 2008 hervor, die heute von der Statistik Austria veröffentlicht wurden.

Manifeste Armut bedeutet die Notwendigkeit, existenzielle Grundbedürfnisse nicht oder nicht ausreichend erfüllen zu können - Neue Kleidung zu kaufen, die Wohnung warm zu halten oder eine dringende medizinische Behandlung zu bezahlen.

Alleinverdiener besonders betroffen

Das Armutsrisiko verteilt sich nicht gleichmäßig auf die österreichische Bevölkerung, manchen Gruppen stechen hervor. Manifeste Armut trifft etwa häufig Haushalte mit Alleinverdiener. Überdurchschnittlich oft betroffen sind auch alleinlebende Pensionistinnen, alleinlebende Frauen ohne Pensionsbezug und alleinlebende Männer. Das höchste Armutsrisiko von 30 Prozent besteht für Personen aus dem Nicht-EU-Ausland, auch bereits Eingebürgerte aus Drittstaaten sind mit einer Armutsgefährdungsquote von 21 Prozent deutlich über dem Bevölkerungsschnitt.

Betrachtet nach der Zusammensetzung von manifest Armen, ist die größte Gruppe Mehrpersonenhaushalte mit mindestens drei Kindern. 10 Prozent dieses Haushaltstyps, das entspricht rund 73.000 Erwachsenen und Kindern, sind manifest arm.

Im Durchschnitt der 27 EU-Länder sind laut Angaben von Eurostat 17 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, Österreich mit seinen 12,4 Prozent liegt also im Mittelfeld. 2010 hat die Europäische Kommission das Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen, um das Thema Armut im öffentlichen Bewusstsein stärker zu verankern.

"Unerträgliche Situation"

Österreichische Hilfsorganisationen schlagen angesichts der Zahlen zur Armutsgefährdung Alarm. Die Volkshilfe spricht von einer "völlig unerträglichen Situation". Die Armutskonferenz appelliert an den Finanzminister, die "Blockade" bei der Mindestsicherung zu beenden. "Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten, im Vollzug der Sozialhilfe, in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern. Armut ist kein Naturereignis", so Sozialexperte Martin Schenk. Die Caritas fordert von der Regierung eine "endlich ernst gemeinte" Sozialpolitik.

Die Grünen zeigen auf, dass mit den Bundesmitteln für die Hypo Alpe Adria Bank Armut in Österreich fast vollständig beseitigt werden könnte. Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger übte Kritik an der "Minisicherung" der Bundesregierung: "Das ist keine Politik der Armutsverhinderung, sondern eine Zementierung von Armut."

In Oberösterreich ist man einen Schritt weiter. Dort haben sich alle fünf Parteien auf die gemeinsame Forderung nach einem höheren Arbeitslosengeld geeinigt. Die Initiative der Arbeiterkammer, die die Politiker unterstützen, fordert eine Erhöhung der Nettoersatzrate. Im EU-Durchschnitt betrage die durchschnittliche Nettoersatzrate rund 70 Prozent, in Österreich jedoch nur 55. Anfang 2010 soll deswegen Kontakt mit den Sozialsprechern aufgenommen werden. Ziel ist ein gemeinsamer Antrag im Parlament. (Anita Zielina, derStandard.at, 16.12.2009)