Bei Auseinandersetzungen im Anschluss an das Verbot der kurdischen DTP sind gestern erstmals zwei Menschen getötet worden. Seit Freitagabend, als das Verbot verkündet wurde, wird in den Städten im kurdisch besiedelten Südosten demonstriert. Die meisten Ladenbesitzer halten aus Protest ihre Geschäfte geschlossen. Als kurdische Jugendliche in der Kleinstadt Bulanik gestern einem Ladenbesitzer damit drohten, sein Geschäft zu zerschlagen, wenn er nicht die Rollläden herunterlassen würde, griff dieser zu seinem Gewehr, verfolgte die Demonstranten auf die Straße und tötete sie. Acht weitere Leute wurden verletzt.

Der Zwischenfall markiert den bisherigen Höhepunkt der sich ständig verschärfenden Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken. In dem Istanbuler Armenviertel Dolapdere, wo sich die Parteizentrale der DTP befindet, hatten am Samstag kurdische Jugendliche Autos angezündet und Molotow-Cocktails geschleudert. Daraufhin waren türkische Nationalisten bewaffnet mit Messern und Baseballschlägern nach Dolapdere gezogen. Einige zielten mit Pistolen auf aufgebrachte Kurden. Es dauerte Stunden, bis die Polizei die Auseinandersetzungen unterbinden konnte.

Premier Tayyip Erdogan rief zur Ruhe auf und forderte die Medien auf, "einzelne, lokale Ereignisse" nicht zu übertreiben. Doch die "lokalen" Ereignisse häufen sich. Während im Südosten Kurden auf staatliche Einrichtungen losgehen, machen im Westen türkische Nationalisten Jagd auf Kurden.

Die DTP hat zudem am Montagabend in Diyarbakir verkündet, dass alle DTP-Abgeordneten das Parlament endgültig verlassen würden. In einer hochemotionalen Fernsehdebatte beschwor der prominente türkische Publizist Hasan Cemal DTP-Chef Ahmet Türk, die parlamentarische Arbeit nicht aufzugeben. Türk sagte nur: "Sie (die anderen Parteien) haben uns nicht gewollt. Was sollen wir da noch?" Der Publizist Mehmet Ali Birand schrieb resigniert: "Das Land ist offenbar nicht reif für den Frieden." (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2009)