Providence - Weltweit gibt es rund 1200 Fledermausarten. Und von denen wiederum kennt man nur sechs, die nicht kopfüber an der Decke hängen, sondern aufrecht. Eine dieser sechs Arten ist die Madagassische Haftscheibenfledermaus (Myzopoda aurita), die mit keiner anderen Fledermaus näher verwandt ist, weshalb man sie einer eigenen Familie zuordnete: den Myzopodidae. Das wiederum bedeutet soviel wie Saugfüßige.
Weil die Tiere so selten sind, wusste man nur wenig über sie. Das änderte sich erst, als man vor wenigen Jahren im Südwesten Madagaskars auf einige Saugfüßerkolonien stieß. Die US-Biologen Daniel Riskin und Paul Racey machten die ersten Experimente mit den Tieren in freier Wildbahn - und dabei eine seltsame Entdeckung.
Die gerade einmal fünf Zentimeter langen Fledermäuse, deren Füße tatsächlich Saugnäpfe ähneln, halten sich doch nicht mittels Vakuum in der Vertikalen. Sie geben eine Art flüssigen Haftkleber ab - wahrscheinlich Schweiß -, der die Hand- und Fußballen an Oberflächen haften lässt, wie die Forscher im Biological Journal of the Linnean Society berichten.
Klarheit hatte ein einfaches Experiment gebracht, bei dem sich eine Haftscheibenfledermaus an einer durchlöcherten Platte festhalten musste - was problemlos gelang. Kleben bleiben die Tiere nur, wenn sie sich aufrecht festhalten.
Das bedeutet freilich auch, dass die Fledermäuse eigentlich eine falsche Fachbezeichnung haben, die aber trotzdem für immer an ihnen haften bleiben wird - "weil man die lateinischen Namen eben nicht ändern kann", so Erstautor Daniel Riskin.
Damit konnte aber auch bewiesen werden, dass die Haftscheibenfledermäuse Madagaskars nicht näher mit den Amerikanischen Haftscheibenfledermäusen (Thyoptera) verwandt sind, die sich tatsächlich mit Saugnäpfen festhalten, obwohl sie nicht so heißen. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 15. 12. 2009)