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Das EU-Klimaziel mit minus 20 Prozent CO²-Emissionen ist Umweltschützern zu wenig. Worauf einige auf Bundeskanzleramt kletterten und ein Transparent entrollten.

Foto: APA/Greenpeace/Kurt Prinz

Am Montag blockierten die afrikanischen Staaten zeitweise die Gespräche. Auch die EU ist in der Kritik.

Tag Eins der Entscheidungswoche beginnt für viele Aktivisten, Experten und Journalisten mit einer Geduldsprobe. Um neun Uhr morgens hat sich vor dem Bella Center in Kopenhagen schon eine lange Schlange gebildet. Entlang den Bahngleisen der Metro warten am Montag Hunderte darauf, ins Konferenzgebäude gelassen zu werden.Weil die Verhandlungen um das neue Klimaabkommen nun in die heiße Phase eintreten, sind viele erst jetzt angereist und müssen sich noch registrieren lassen.

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und zeitweisem Schneefall bewegt sich die Schlange alle zehn Minuten einige Zentimeter nach vorne. "Heute hätte ich nichts gegen ein bisschen Erderwärmung" , sagt ein Vertreter einer dänischen NGO. Nach sechs Stunden Warten gibt er auf. Einige harren nur deshalb aus, weil eine Gruppe von Veganern, die den Klimawandel durch rein pflanzliche Ernährung abwenden will, Sandwiches verteilen und Plastikbeutel mit Büchern, die keiner beachtet, auf die man sich aber stellt, wenn die Füße zu kalt werden.

Ärger der Entwicklungsländer

Doch nicht nur draußen vor den Toren wächst der Unmut. Auch in den Hallen des Centers, wo Dutzende Arbeitsgruppen weiter um die Eckpunkte eines Klimaabkommens ringen, macht sich schlechte Stimmung breit. Ungenügend seien bisher die vorgeschlagenen Emissionsziele der Industriestaaten, beklagen die Entwicklungsländer. Ihr Ärger ist so groß, dass die afrikanischenStaaten über Stunden die Verhandlungen blockieren. Eine Maßnahme, die in den Verhandlungen mehr Druck machen soll. Sie zeigt, wie angespannt die Stimmung ist. "Die Kluft ist sehr groß" , bestätigt auch ein in die Gespräche involvierter Diplomat.

Doch im Kern geht es nicht nur um die Zahlen, sondern um die Verbindlichkeit eines neuen Abkommen. "Kioto – ja" , prangt auf dem Anstecker eines afrikanischen Delegierten. Die Entwicklungsländer streben ein Kioto II an, eine Weiterführung des Abkommens, mit ehrgeizigen Emissionszielen (zwischen minus 30 bis 45 Prozent bis 2020, bezogen auf 1990) und genauso rechtlich verbindlich wie das bestehende Protokoll. Bevor die Industriestaaten nicht darüber diskutierten, würden sie sich nicht weiter bewegen, hieß es aus Delegationskreisen. Die Industriestaaten dagegen sind für ein komplett neues Abkommen, das alle Länder einbezieht. "Es geht in Richtung zweier getrennter Abkommen" , schätzt ein Diplomat.

Kompromissversuche

Begünstigt wird der Konflikt durch den Umstand, dass die Verhandlungen auf zwei Schienen geführt werden: ein Strang sind nur die Kioto-Staaten, der zweite umfasst auch die Nicht-Kioto-Mitglieder, darunter die USA. Deshalb gibt es auch zwei Entwürfe für ein Abschlussabkommen, einen für jede Gruppe. Die Industriestaaten haben es bisher abgelehnt, sich auf eine Verlängerung Kiotos einzulassen, ohne Engagement der Entwicklungs- und Schwellenländer – und ohne gleichwertige Einbindung der USA.

Die dänische Konferenzvorsitzende Connie Hedegaard hat deshalb vorgeschlagen, die strittigsten Fragen an die Minister weiterzureichen. Eine Entscheidung stand bis Montagabend noch aus. "Solange das nicht entschieden ist, sitzen wir hier und warten" , sagte ein Delegierter.

Mehr und mehr zerpflückt wird auch der EU-Vorschlag, der bis 2020 für alle Mitglieder 20 Prozent weniger Kohlendioxid vorsieht. Erwin Mayer von der Umweltberatung Denkstatt: "Es ist eminent wichtig, dass die EU auf minus 30 oder gar auf minus 40 Prozent erhöht. Denn die Klimaschutzziele der EU sind gar nicht so ambitioniert wie immer hingestellt."

Auch die Umweltorganisation Greenpeace plädiert für ein höheres Einsparziel der EU. Nachdem ein Ranking der deutschen Organisation Germanwatch Österreichs lasche Haltung zum Klimaschutz wieder unterstrich, kletterten Aktivisten auf einen Vorbau des Bundeskanzleramts und entrollten ein Transparent mit der Forderung, 40 Prozent CO² bis zum Jahr 2020 einzusparen. In dem Ranking steht Österreich in Klimaschutzfragen heuer an 42. Stelle, hinter dem Iran und der Türkei. (Julia Raabe aus Kopenhagen, Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Printausgabe 15.12.2009)