London - Angesichts drohender Grippeepidemien haben Regierungen weltweit für Milliardenbeträge Vorräte des Grippemittels Tamiflu angelegt. Nach einer Auswertung der Studien zu dessen Wirkstoff Oseltamivir halten Experten den Nutzen aber für fraglich. Das Mittel könne die Symptome einer Influenza nur um etwa einen Tag verkürzen, stellt eine neue Studie fest. Auch sei nicht belegt, dass das Medikament Grippepatienten vor Komplikationen wie etwa einer Lungenentzündung schütze.

Daher solle das Mittel nicht routinemäßig zur Kontrolle der saisonalen Grippe verwendet werden, betonen die Mediziner um Chris Del Mar von der australischen Bond-Universität im "British Medical Journal". Die Forscher werteten insgesamt 20 Studien aus und kritisieren den Mangel an guten Daten. Acht Untersuchungen wurden von der Analyse ausgeschlossen, weil die darin enthaltenen Daten nicht unabhängig überprüft werden konnten.

Studiendaten veröffentlichen

Tamiflu-Hersteller Roche betont dagegen, er glaube fest an die Zuverlässigkeit der publizierten Resultate, die den Zulassungsbehörden vorlägen. Roche schätzt den Umsatz mit Tamiflu allein im Jahr 2009 auf rund 1,8 Milliarden Euro.

Mike Clarke vom britischen Cochrane-Zentrum betont, die Studie ziehe nicht nur die Effektivität von Oseltamivir in Frage sondern auch das gesamte Zulassungssystem von Medikamenten. Die Herausgeber des "British Medical Journal" fordern eine Verpflichtung für die Hersteller, die Daten von Studien öffentlich zugänglich zu machen. "Weltweit haben Regierungen Milliarden für ein Medikament ausgegeben, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft nun nicht beurteilen kann", betont die Chefredakteurin des Journal, Fiona Godlee. (APA)