Das israelische Parlament hat am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit in erster Lesung ein Gesetz bewilligt, das den Verzicht auf Territorium, in dem israelisches Recht gilt, von einer Volksabstimmung abhängig machen würde. Gemeint sind damit die Golanhöhen und Ostjerusalem, die von Israel de facto annektiert wurden. Das Westjordanland, das einer Militärverwaltung unterliegt und auch nach israelischer Version nicht zum Staatsgebiet gehört, wäre nicht betroffen.

Mit dem Blick auf mögliche Gebietsverhandlungen mit Syrien und den Palästinensern geht die vorherrschende Auslegung in Israel dahin, dass Regierungschef Benjamin Netanjahu auf eine absichtliche Selbstfesselung hinarbeitet. Die Gesetzesinitiative hat nicht nur nahostpolitische Bedeutung, sondern wirft auch Verfassungsprobleme auf. Die Debattenfronten ziehen sich quer durch Regierungskoalition und Parteien.

Oppositionschefin Zipi Livni von der liberalen Kadima-Partei etwa hält eine Volksabstimmung für überflüssig, weil Regierungen dazu gewählt seien, in allen Fragen zu entscheiden. Ihr Parteifreund Israel Chasson hingegen hält die Rückversicherung für einen verhandlungstaktischen Vorteil: "Für jeden Premierminister wäre es wichtig, dass er am Verhandlungstisch sagen kann: Ich bin bereit, aber ich habe da noch die Volksabstimmung, und ich muss meine Öffentlichkeit überzeugen."

"Handlung gegen den Frieden"

Bei der Arbeiterpartei wiederum, die mitregiert und deren Führung deshalb für den Volksabstimmungsentwurf votierte, sah der Abgeordnete Ofir Pines darin ein bedenkliches Signal: "Man kann überhaupt keine Verhandlungen führen, wenn so ein Gesetz in der Luft schwebt. Ich fürchte, das wird in der Welt als Handlung gegen den Frieden ausgelegt werden."

Eine etwaige Golan-Volksabstimmung ist jedenfalls noch bloße Theorie. Für das Gesetz selbst sind noch zwei weitere Lesungen nötig, was Monate dauern kann. Zudem ist im israelischen Grundgesetz eine Volksabstimmung gar nicht vorgesehen, sodass man sich zunächst über die Prozedur einigen müsste. Im Übrigen scheint ein Ergebnis, über das man abstimmen lassen könnte, nicht in Sicht.

Netanjahu hatte zu Wochenbeginn wiederholt, er sei zu Verhandlungen mit Syrien bereit, wenn die Syrer nicht wie bisher eine Voraus-Garantie für den Golan-Rückzug verlangen würden. Unklar ist aber jetzt, wer die zunächst indirekten Gespräche vermitteln würde. Die Israelis haben Frankreich ins Gespräch gebracht, weil sie zur Türkei nach deren Ruck in Richtung Iran kein Vertrauen mehr haben. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2009)