Mit der Freigabe einer Beta-Version von Google Chrome 4 werden seit kurzem nicht nur erstmals Linux und Mac OS X unterstützt, man hat man dem Open-Source-Browser auch eine weitere zentrale Neuerung spendiert, die bislang nur experimentellen Builds der Software vorbehalten war. Mit einem eigenen Erweiterungssystem demonstriert der Hersteller, dass man von den Erfolgsrezepten des Firefox gelernt hat, und zeigt den Willen ein entsprechendes Software-Ökosystem aufzubauen. Zeitgleich zur Beta wurde dann auch gleich der Startschuss für die Chrome Extensions Gallery gegeben, in der schon wenige Tage später mehrere hundert Erweiterungen versammelt waren.

Funktionsweise

Einige der interessantesten davon sollen auf den folgenden Seiten exemplarisch vorgestellt werden, zuvor allerdings noch ein Blick hinter die Kulissen also auf die technische Realisierung der Chrome-Erweiterungssystems. Im Gegensatz zu den derzeit vorherrschenden Firefox-Addons setzt man bei Google ganz auf die Nutzung von aktuellen Web-Technologien, Chrome-Erweiterungen werden mit HTML, Javascript und Co. geschrieben - und unterscheiden sich damit nur wenig von üblichen Webseiten. Dies hat vor allem den Vorteil, dass der Zugang zur Entwicklung extrem niederschwellig ist, angemerkt sei noch, dass man bei Mozilla mit den "Jetpacks" derzeit an einem ähnlichen System arbeitet.

Beschränkungen

Umgekehrt ist auf diesem Weg freilich der Zugriff auf Browser-Funktionen deutlich eingeschränkter, so betont man etwa bei Google, dass es durchaus beabsichtigt sei, dass sich Erweiterungen nur an wenigen Stellen in das Interface integrieren können. Eine endlose Ansammlung von Toolbars, die kostbaren Platz für die Darstellung der eigentlichen Webseite beanspruchen, will man verhindern. Eine Aussage, die angesichts der nicht gerade platzsparenden Google Toolbar für andere Browser, eines gewissen Humors nicht entbehrt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein weiterer Unterschied: Erweiterungen laufen bei Chrome als eigene Prozesse, ein äußerst Speicher- oder Prozessor-hungriges Add-on lässt sich so relativ schnell mithilfe des integrierten Task Managers aufspüren. Zusätzlich laufen diese Prozesse in einer "Sandbox", also einer geschützten Umgebung, die den Zugriff auf das unter dem Browser liegende System weitestgehend verhindern soll, "bösartige" Erweiterungen sollen also kaum Schaden anrichten können.

Offenheit

Entsprechend kann es sich Google auch leisten, wesentlich offener - und flotter - bei der Aufnahme neuer Erweiterungen zu sein als beispielsweise Mozilla, von den EntwicklerInnen hochgeladene Add-Ons sind im Regelfall umgehend auf der Extensions Gallery zu finden. Einzige Ausnahme bilden jene Erweiterungen, die auf das lokale Dateisystem oder nativen Code zugreifen wollen - hier vollzieht Google dann weitere Prüfungen.

Sofort da

Chrome Extensions lassen sich nicht nur ohne Neustart des Browsers installieren (und wieder entfernen), sie werden auch im Hintergrund vollautomatisch aktualisiert - die NutzerInnen müssen sich also um keinerlei Updates kümmern. Dieser Mechanismus ermöglicht Google darüber hinaus gefährliche oder defekte Erweiterungen aus der Ferne zu deaktivieren - aus Sicherheitsüberlegungen zwar ein Gewinn, aber wohl auch ein Gedanke, der nicht allen NutzerInnen behagen wird.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Eine nicht ganz unerhebliche Einschränkung gibt es derzeit allerdings noch: Von Haus aus gibt es das Erweiterungssystem momentan nur für die Windows- und Linux-Varianten der Software. Immerhin soll eine offizielle Aufnahme dieser Funktionalität in die Developer-Builds der Mac-Version in den nächsten Tagen folgen und dann auch in der kommenden Beta landen. Wer so lange nicht warten will, kann sich noch immer eine aktuelle Release von Chromium - der Open Source-Basis von Google Chrome - besorgen und die Installierbarkeit von Erweiterungen über die Ausführung eines speziellen Bookmarklets erzwingen.

Buttons

Viele der derzeit verfügbaren Erweiterungen widmen sich noch recht einfachen Aufgaben, was freilich deren Nützlichkeit in keinster Weise herabwürdigen soll. So gibt es eine ganze Reihe von Extensions, die dabei helfen Aktivitäten bei diversen Google-Services im Auge zu behalten. In Form eines Knopfes neben der URL-Zeile wird hier etwa über neue Nachrichten in der GMail-Inbox - und deren Anzahl - Auskunft gegeben, oder frische "Blips" bei Google Wave vermeldet. Letztere Erweiterung erlaubt außerdem den Schnellzugriff auf die entsprechende Wave, als Bonus können auch einzelne Elemente des Wave-Interfaces ausgeblendet werden - etwas das bei den Einstellungen des Services selbst derzeit noch schmerzlich vermisst wird.

Infos

Ähnliche Preview-Knöpfe gibt es für den Google Reader oder gleich als kombinierte Variante für mehrere Services. Recht nützlich auch der Button für den Google Calendar, der anzeigt wann der nächste Termin ansteht. Ein Klick auf den Knopf öffnet dann wenig überraschend das entsprechende Service.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Deutlich ambitionierter gibt sich da schon die nächste Erweiterung, die allerdings auch auf einen Google-Service setzt: Mithilfe von Google Translate lassen sich ganze Seiten in Windeseile in eine andere Sprache übersetzen. Beim Besuch von fremdsprachigen Angeboten bietet das Add-On diesen Service automatisch an - so lange bis man klar macht, dass man diese Sprache selbst beherrscht.

Skripte

Was beim Chrome-Erweiterungssystem noch grundlegend erwähnt werden sollte: Es lassen sich von Haus aus auch Greasemonkey-Skripte als Add-Ons installieren, mit einem Klick auf das entsprechende Skript bei Userscripts und Co. können also einzelne Seiten dem eigenen Geschmack angepasst werden. Wer das Ganze einmal ausprobieren mag, dem seien der Helvetireader - ein optisch aufgebessertes Interface für den Google Reader - oder Helvetical - das selbe Unterfangen für den Google Calendar - ans Herz gelegt.

Makros

Beinahe unbegrenzte Möglichkeiten eröffnet auch iMacros: Langwierige Vorgänge können damit in Makros festgehalten und später wieder automatisiert aufgerufen. Was damit angestelt werden kann, hängt vor allem vom Ideenreichtum der NutzerInnen ab, vom automatischen Ausfüllen von Formularen bis zur Benachrichtigung über neue Mails lässt sich so einiges machen. Wer eine Inspiration sucht, sollte einen Blick auf einige der verfügbaren Beispielskripte werfen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Anzeige von Bildern im Web komfortabler gestalten will Slideshow: Damit lassen sich die Bilder diverse Webseiten übersichtlich - und Browser-füllend - darstellen.

Möglichkeiten

Zur Navigation dient ein Balken am unteren Ende des Browser-Fensters, das Bewegen des Mauszeigers ans linke oder rechte Ende löst automatisch einen Scroll-Vorgang durch das weitere Angebot aus. Zusätzlich erlauben zwei Knöpfe über dem dargestellten Bild, das Gefundene gleich mit der Twitter- und Facebook-Community zu teilen. Slideshow funktioniert mit Google Images und Picasa, Flickr und Facebook werden auch unterstützt.

Lesezeichen

Ebenfalls bereits in einer Chrome-Variante erhältlich ist Xmarks, eine Erweiterung zum Abgleich der Browser-Bookmarks mit anderen Rechnern. Zwar bietet der Google-Browser mittlerweile selbst eine solche Funktion, diese ist jedoch auf die Synchronisierung mit weiteren Chrome-Installationen beschränkt. Xmarks kann die Lesezeichen hingegen auch mit IE, Firefox und Safari teilen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Unter den Chrome-Erweiterungen der ersten Stunden darf natürlich auch der eine oder andere Twitter-Client nicht fehlen. Am vollständigsten dabei derzeit wohl Chromed Bird. Auch dieser integriert sich mit einem Knopf neben der URL-Zeile, der über die Zahl der ungelesenen Tweets Aufschluss gibt.

Auswahl

Über einen Klick darauf entfaltet sich dann das eigentliche Interface, und offenbart so die gesamte Funktionalität entsprechender Clients - vom simplen Lesen der Nachrichten bis zum Posten, dem Verfassen von eigenen Nachrichten bis zu Replys und Retweets. Auch automatische URL-Verkürzungen mithilfe von bit.ly, j.mp oder tr.im sind möglich.

Brizzly

Noch etwas umfangreicher ist die Funktionalität von Brizzly, handelt es sich dabei doch gleich um einen zentralen Leser für Twitter und Facebook. Bilder und Videos von Twitpic, Flickr, Youtube und Co. werden dabei automatisch angezeigt, Kurz-URLs selbsttätig aufgelöst, um unerwünschte Überraschungen nach dem Anklicken zu verhindern. Auch lassen sich die Updates einzelner NutzerInnen vorübergehend "lautlos" schalten, ohne ihnen gleich ganz die virtuelle Beziehung aufzukündigen. Allerdings benötigt Brizzly eine Anmeldung auf dem zugehörigen Web-Service.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit Google Tasks hat der Softwarehersteller nun bereits seit einiger Zeit ein Task-Listen-Programm im Portfolio. Allerdings positioniert man dieses bislang vor allem als Beiwerk für GMail und den Google Calendar, dass das Ganze aber auch als unabhängige Anwendung durchaus sinnvoll ist, demonstriert die entsprechende Erweiterung für Chrome.

Termine

So lassen sich damit flott neue Tasks erstellen und mit Ziel-Terminen versehen. Die Darstellung der Listen kann wahlweise als Popdown oder eigenes kleines Fenster erfolgen - womit es dann schon eher an eine Desktop-Anwendung erinnert. Mit einem Klick kann zusätzlich zwischen der Task-Liste auf GMail und einer eigenen Google Apps Domain gewechselt werden.

Milch holen

Wer seine Task-Listen lieber auf "Remember the Milk" verwaltet, greift zu Chrome Milk, das wiederum das Interface des Services für mobile Devices zum Einsatz bringt. Auch die Anzahl der offenen Tasks wird hier auf den ersten Blick dargestellt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

So manche Erweiterung nimmt nur eine kleine Änderung vor - und erweist sich doch als äußerst nützlich. Ein Beispiel dafür ist der Google Docs Viewer. Dieser ermöglicht es PDF- und Powerpoint-Dateien direkt im Browser anzuzeigen, ganz ohne die Installation irgendwelcher Zusatzprogramme.

Download

Die zugehörige Erweiterung sorgt lediglich dafür, dass entsprechende Dateien automatisch auf den Service von Google umgeleitet werden. Neben dem simplen Lesen ist es aber auch möglich die entsprechenden Dokumente anschließend herunterzuladen oder direkt aus dem Browser heraus auszudrucken. Eine ähnliche Erweiterung gibt es übrigens auch für GMail, so dass Mail-Links direkt auf den Webmail-Service umgeleitet werden.

Erweiterung

Zum schnellen Austausch von Webseiten-Adressen zwischen Computer und Mobiltelefon bietet sich die QR-Code Tag Extension an. Auf Knopfdruck wird für die gerade besuchte Page ein QR-Code erstellt, der sich wiederum mit dem Barcode Scanner von Android-Handys oder anderen Smartphones einlesen lässt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wer gern anhand der eigenen Interessen im Web herumstöbert, wird sich über die folgende Erweiterung freuen: Mittels "Google Similar Pages" werden ähnliche Seiten zur gerade angesurften herausgesucht. Dass die dabei erzielten Ergebnisse relativ treffsicher sind, liegt wohl nicht zuletzt daran, dass man auf die Einordnungskriterien von Google selbst zurückgreifen kann.

Feeds

Ein Feature, das NutzerInnen anderer Browser bei Google Chrome vermissen werden, ist der schnelle Zugriff auf die News-Feeds einer Seite. Die RSS Subscription Extension bietet hier Abhilfe und bindet ein Feed-Icon in die URL-Zeile ein, wenn entsprechende Inhalte zum Abonnieren bereit stehen. Dabei unterstützt man von Haus aus iGoogle, Bloglines, My Yahoo und den Google Reader - weitere Services lassen sich manuell definieren.

Einbindung

Wer den Google Reader einsetzt, ist aber wohl mit dem darauf spezialisierten RSS-Subscriber besser bedient. Werden Nachrichtenfeeds hier doch mit einem Klick gleich direkt in das Online-Service eingebunden. Ein Schwachpunkt beider Erweiterungen: Momentan können sie nicht korrekt mit Seiten umgehen, bei denen mehrere Feeds angeboten werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Schon vom Firefox her bekannt ist die Aviary-Erweiterung, die es nun gleich zum Start auch für Google Chrome gibt: Damit lassen sich nicht nur Screenshots von Webseiten anlegen, sondern - neben der lokalen Abspeicherung - auch gleich an die Webservices von Aviary weiterleiten.

Verarbeitung

Dort können diese Grafiken dann in einer Reihe von Editoren weiter behandelt werden. Sei es um kurze Anmerkungen oder Highlights zu machen, die Farbinformationen zu analysieren oder auch um diverse Effekte anzuwenden. Die so erzielten Ergebnisse können dann auch gleich online gehostet werden.

Bearbeitung

Alternativ gibt es eine vergleichbare Erweiterung auch für Picnik. Hier können neben gesamten Seiten-Screenshots aber auch gleich gezielt einzelne Bilder aus einer Webpage ausgewählt und weiter bearbeitet werden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Um Web-EntwicklerInnen anzuziehen, bedarf es freilich nicht nur eines einfach zu benutzenden Erweiterungssystems, entsprechende Tools zu Analyse und Entwicklung von Webpages gehören zu einer der Stärken des Firefox. Kein Wunder also, dass Google auch in diesem Bereich einige Anstrengungen unternimmt, um interessante Alternativen bieten zu können.

Optimiert

Definitiv in diese Kategorie gehört jedenfalls Speed Tracer: Die von Google selbst kreierte Erweiterung soll EntwicklerInnen bei der Optimierung ihrer Seiten helfen, zu diesem Zweck bietet sie umfangreiche Performance-Analyse-Möglichkeiten. Javascript, DOM-Events, CSS-Zugriffe - alle werden sie anhand einer Zeitlinie bis ins kleinste Detail aufgeschlüsselt. Auch Netzwerkzugriffe und deren Dauer listet Speed Tracer, zusätzlich werden Engpässe deutlich sichtbar ausgewiesen.

Tools

Um die Erweiterung auszuprobieren muss Google Chrome übrigens mit dem Parameter "--enable-extension-timeline-api" gestartet werden, weitere Infos dazu bietet der zugehörige Hilfe-Artikel des Herstellers. Ebenfalls einen Blick wert ist Firebug Lite, eine abgespeckte Version der beliebten Firefox-Erweiterung. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass Chrome schon von Haus aus einige der dort gebotenen Funktionen mit den fix integrierten Developer Tools abdeckt.

Eigenheiten

Gerade, da das Chrome-Erweiterungssystem momentan noch recht neu ist, und entsprechend täglich eine Fülle neuer Anwendungen hinzukommen, können die hier ausgewählten Erweiterungen natürlich nur einen subjektiven Ausschnitt aus dem verfügbaren Angebot bieten. Insofern seien die geneigten LeserInnen dazu aufgefordert eigene Tipps im Kommentarbereich abzugeben. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 13.12.09)

Screenshot: Andreas Proschofsky