Liebe macht müde - und ist auch recht kompliziert: Milan Peschel und Marie Bäumer in "Mitte Ende August"

Foto: Senator

Wien - Ein Haus am Wald, weit weg von Speckgürtel und Ausfallstraßen, aber doch in Reichweite eines Baumarkts - dieses Angebot können Hanna und Thomas nicht ausschlagen. Sie geben ein lustiges Bild ab, wie sie der Notarin gegenübersitzen bei der Eröffnung eines Testaments, das aus urbanen Mietern unvermutet Hausbesitzer auf dem Lande macht. Das Paar begreift die Immobilie als Chance. Hanna (Marie Bäumer) und Thomas (Milan Peschel) beschließen, den Sommer auf das neue Eigenheim zu verwenden. Sie wollen es renovieren, zugleich ihre Zweisamkeit neu erleben - exklusiv und einer Sache zugetan, ungestört von den Ablenkungen der Stadt.

Das ist die Ausgangssituation von Sebastian Schippers neuem Film Mitte Ende August, in dem sich ganz ähnlich wie in Maren Ades Alle anderen bald erweist, dass eine Zweierbeziehung im Kino erst dann interessant wird, wenn ein zweites Paar auftaucht. Dort erleben die beiden Urlauber auf Sardinien sich selbst in ihren deutschen Freunden als Karikatur, bei Sebastian Schipper aber liegt der Erzählung ein anderer Plan zugrunde. Denn Mitte Ende August beruht lose auf Goethes Roman Die Wahlverwandtschaften, in dem ein weiterer Mann und eine junge Frau zu einem Paar hinzukommen, das sich dann nach "chemischem" Prinzip neu auszurichten beginnt.

Quartett der Liebe

So auch hier: Zuerst bekommt Thomas Besuch von seinem Bruder, dem Architekten Friedrich (André Hennicke). Er sucht Ruhe und Zuspruch, denn seine Ehe ist in einer schweren Krise, und sein Erwerbsleben liegt in Trümmern. Friedrich ist ganz anders als der aufgeknöpfte Thomas, wie ein Zeichen seiner feinsinnigen Beherrschtheit trägt er fast den ganzen Film hindurch einen Pullover, und das im August.

Das Quartett wird vollständig, als Augustine (Anna Brüggemann) dazukommt, Hannas Patentochter, die dem Paar zum ersten Mal als junge Frau erscheint. Ganz offensichtlich passen Augustine und Thomas gut zueinander, wie auch Hanna und Friedrich. Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht, denn niemand sucht bei der Objektwahl einfach nach einem kongenialen Wesen, nach sich selbst in einer zweiten Version, und vor allem kommt es in der Liebe auch auf den glücklichen Zeitpunkt an.

Von Schipper weiß man nach Absolute Giganten und Ein Freund von mir schon, dass ihn Figuren vor allem in Konstellationen interessieren. In Mitte Ende August versucht er nun alles, um den Charakter einer Laborsituation zu entschärfen. Der ganze Film wirkt wie eine etwas angestrengte Übung in Leichtigkeit. Dass Schipper mit seinen Figuren vor dem kultivierten Hedonismus zurückschreckt, dem viele Mittdreißiger fast zwangsläufig anheimzufallen scheinen, ist verständlich.

Dass er dies aber ausgerechnet an einem klassischen Sujet ausprobiert, erweist sich als zwiespältig. Denn Goethes Roman hat seine Qualitäten ja nicht zuletzt dort, wo ihm die Beziehungsgeschichte zu einer grundlegenden Auseinandersetzung mit seiner Epoche dient. Mitte Ende August fehlt hingegen jede zweite Ebene, weil Schipper die Vorlage zwar ernst genommen hat, ihr aber eben nicht mehr abgewinnen konnte als eine Stimmung trotziger Unverbindlichkeit, die sich nach Gewissheiten sehnt. (Bert Rebhandl / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.12.2009)