Die EU hat sich entschieden, ein Interimsabkommen mit Serbien zu ratifizieren, obwohl der ehemalige bosnisch-serbische General Ratko Mladić noch nicht an das Haager Tribunal ausgeliefert worden ist. Der Beitritt Serbiens zur EU ist mehr als zu begrüßen. Aber was hat sich an der Haltung der serbischen Justiz, Politik und Öffentlichkeit hinsichtlich der Aufarbeitung der Verbrechen im Bosnienkrieg tatsächlich geändert? Und wieso gilt plötzlich nicht mehr, was immer galt, nämlich: keine EU-Annäherung ohne Mladić? Und noch wichtiger: Welche Signale sendet man damit an die gesamte Region? Die falschen.

Noch vor zwei Jahren räumte der serbische Sonderstaatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukèević, ein, dass sich Mladić wahrscheinlich in Serbien aufhält. Die Verhaftung jenes Mannes, der für die Ermordung von tausenden Bosniaken in Srebrenica verantwortlich ist, ist also nicht mehr prioritär. Im Grunde unterstützt die Union mit der Änderung ihrer Politik eine Haltung der Verdrängung. Und sie brüskiert die Bosniaken, die ohnehin und berechtigterweise frustriert sind, weil sie anders als die Bürger Serbiens ab 19. Dezember keine EU-Visafreiheit bekommen.

Kopfschütteln löst die EU-Politik auch im Kosovo aus. Ein Jahr nach der Entsendung der EU-Rechtsstaatsmission ist der Kosovo isolierter als jemals zuvor. Alle Kosovaren - selbst Kosovo-Serben, die einen neuen serbischen Pass besitzen - sind längerfristig von der Visafreiheit ausgeschlossen. Sie werden also wieder einmal zu Bürgern zweiter Klasse. Nicht auf Wunsch Serbiens, sondern auf Wunsch der EU. (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2009)