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Durch eine Eisendüngung der Meere eine Algenblüte auszulösen, die zu einer vermehrten CO2-Aufnahme führt: Das ist nur ein Plan der Verfechter von Geoengineering.

Foto: AP/Ng Han Guan

Greenfinger konnte nicht länger mit ansehen, wie der Klimawandel sein Land zurichtete. Der steigende Meeresspiegel und Dürren spielten seinem Volk übel mit. Also rüstete Staatschef Greenfinger seine Luftwaffe für den Angriff: Ihr Ziel war die Stratosphäre, ihre Munition Schwefel. Die Schwefelteilchen sollten sich mit Wassertröpfchen verbinden, um Sonnenstrahlen zurück ins All zu reflektieren. Wissenschafter warnten vor weltweiten Wetterkapriolen und unabsehbaren Langzeitfolgen. Greenfinger wusste nur: Wenn sein Plan vorübergehend ein paar Grad Abkühlung brachte, würde er nicht nur von seinen Untertanen als Held gefeiert, sondern vielleicht auf der ganzen Welt.

Was klingt wie das Szenario für den nächsten James-Bond-Film, ist in der angesehenen Oxford Review of Economic Policy nachzulesen. Dass ein Diktator oder Milliardär im Alleingang das Klima zu retten versucht, warnt der kalifornische Politologe David Victor dort, könne bald Realität werden. Willkommen in der Debatte um Geoengineering. Unter diesen Sammelbegriff fallen alle technischen Ansätze zur Beeinflussung des Klimas in globalem Maßstab.

Dabei reden nicht nur Naturwissenschafter und Ingenieure mit. An einem gerade eingerichteten Kolleg der Uni Heidelberg forschen sie gemeinsam mit Juristen, Psychologen, Philosophen und Ökonomen wie Timo Göschl. Ideen, das Klima zu manipulieren, kursieren seit mindestens fünfzig Jahren, erläutert der gebürtige Salzburger, "aber seit den Achtzigern war ein Deckel auf der Diskussion. Es war politisch unerwünscht, über anderes als die Minderung von Emissionen zu sprechen."

Zudem hätten die Experten befürchtet, als durchgedrehte Wissenschafter dazustehen. Das änderte sich erst, als Chemienobelpreisträger Paul Crutzen eine Lanze für die Schwefelung der höheren Schichten der Erdatmosphäre brach. Er stützte sich auf Messungen nach dem Ausbruch des Pinatubo 1991, als der von dem Vulkan ausgestoßene Schwefel die Erde für ein Jahr um durchschnittlich ein halbes Grad abkühlte. 2006 publizierte Crutzen im Fachjournal Climatic Change den Aufsatz, der Geoengineering salonfähig machte.

Dem Standard sagte er damals: "Ich kämpfe für die Erforschung meiner Idee, nicht für ihre Umsetzung. Priorität ist, das Kohlendioxid zu vermindern. Aber was tun wir, wenn die Erwärmung viel schlimmer ausfällt, als die derzeitigen Modelle vorhersagen? Dann wäre es gut, etwas in der Hinterhand zu haben." Seinem Anstoß sind inzwischen über hundert Publikationen und mindestens ein Dutzend Tagungen gefolgt. "Ich wurde damals von Sorge getrieben, und diese Sorge habe ich noch immer", betont Crutzen heute, dass ihn die Dynamik der von ihm angezettelten Debatte eher irritiere.

Hintertür für den Notfall

Fast alle Autoren sind sich einig, dass Geoengineering nicht als Alternative zur drastischen Reduktion von Emissionen in die Atmosphäre verstanden werden dürfe. Vielmehr gehe es darum, eine gründlich untersuchte Intervention zu haben, die sich kurzfristig einsetzen lässt, falls es zu einer Entwicklung mit gefährlichen Folgen, etwa zu einer raschen Polareisschmelze, kommt.

Neuerdings gibt es jedoch auch andere Stimmen. Der dänische Politologe Björn Lomborg und die Superfreakonomics-Autoren Steven Levitt und Stephen Dubner machen sich für globale Kühltechnik als billigere Alternative zum Klimaschutz stark. "Diese Leute vernachlässigen die enormen und noch lange nicht absehbaren Risiken", kritisiert Jason Blackstock vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg.

Wenig riskant, aber teuer und damit nur als Teillösung gut ist das Einfangen und Einlagern von Kohlendioxid. In den Weltmeeren durch Eisendüngung eine Algenblüte auszulösen, um ihre Kapazität zur Aufnahme von Kohlendioxid zu erhöhen, gilt nach einer Reihe von Tests nicht mehr als aussichtsreich. Am realistischsten für einen Einsatz im Notfall erscheinen derzeit Ansätze zur Abschirmung von Sonnenstrahlung.

Bisher gibt es dazu nur Modellrechnungen. Einzelne Wissenschafter sehen die Zeit schon reif für begrenzte Tests, erfuhr Blackstock vorige Woche in Hamburg auf der bisher größten europäischen Geoengineering-Tagung. Die Mehrheit meine aber, dass es sich lohne, mit Experimenten zu warten, bis es klare Strukturen für internationale Zusammenarbeit gebe. Dass die Hearings zum Geoengineering des US-Kongress und des britischen Parlaments in gegenseitiger Abstimmung laufen, wertet Blackstock als gutes Zeichen. Zur Einbeziehung der Entwicklungsländer organisiert er dieser Tage ein Treffen in Kopenhagen. Greenfinger soll in der Welt der Fantasie bleiben. (Stefan Löffler/DER STANDARD, Printausgabe, 09.12.2009)