Eine Worthülse, unseriös und absurd: Dafür hält ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger des Kanzlers jüngste Idee. Bei den Spitälern will Werner Faymann eine Milliarde Euro einsparen, um damit einen "Generationenfonds" für 50.000 neue Jobs zu speisen. "Das kann er vergessen", sagt Rasinger, im Zivilberuf Arzt. Zentrales Gegenargument: Weil die Patienten immer älter und die Versorgung immer teurer würden, pfiffen die Krankenhäuser schon jetzt aus dem letzten Loch. Wer da eine Milliarde wegnehme, ruiniere unweigerlich die Qualität.

Ein Schwarzer kanzelt einen Roten ab - so weit, so gewöhnlich. Interessant ist Rasingers Kritik aber wegen ihres subversiven Potenzials. Ungewollt rüttelt der ÖVPler an einer tragenden Säule der Politik des eigenen Parteichefs.

Wenn Faymann mit seinem Generationenfonds, wie Rasinger meint, "Potemkinsche Dörfer" baut, dann konstruiert Finanzminister Josef Pröll ganze Kulissenstädte. Gerade der ÖVP-Obmann preist die Verwaltungsreform, die Einsparungen in der Staatsbürokratie, der Schulverwaltung und dem Gesundheitssystem bringen soll, gerne als Wundertüte an. Aus dieser soll das wegen der Krise aufgerissene Budgetdefizit beglichen werden, denn höhere Steuern will Pröll ja nicht einheben. Die angeschriebenen Schulden belaufen sich allerdings nicht auf eine läppische Milliarde, sondern auf das Zwölffache - in einem Jahr.

Bei der ineffizienten Organisation der Spitäler, konstatieren Experten vom Rechnungshof abwärts, werde mit Abstand das meiste Geld verschleudert. Doch wenn nach Meinung des ÖVP-Gesundheitssprechers dort nicht einmal die Milliarde zu holen ist, wie soll dann das Budget am Verwaltungswesen genesen? Da passt etwas nicht zusammen. Entweder ist Rasinger ein Bremser oder Pröll ein Blender.

Zweifellos ließen sich die Krankenhäuser bei gleicher Leistung kostengünstiger verwalten, dennoch trifft Rasinger einen wahren Kern. Die Heilserwartungen in die Verwaltungsreform sind weit überzogen. Sicher, der Rechnungshof spricht von Milliarden, doch das sind theoretische Sparpotenziale unter perfekten Umständen. Reißbrettreformen wurden im politischen Alltag noch nie eins zu eins umgesetzt, zu viele Akteure haben zu viele Interessen, Verwässerungen liegen in der Natur der Demokratie. Und selbst wenn der große Wurf gelänge, müsste das lukrierte Geld wegen der künftigen Herausforderungen im System bleiben - das trifft auf die Schulen genauso zu wie auf die Spitäler. Obendrein benötigen derartige Reformen zu viel Zeit zur Entfaltung, um das Budget zu retten.

Mit mehr Effizienz allein werden sich die Schulden, anders als die ÖVP suggeriert, nicht begleichen lassen. Ebenso wenig wird es reichen, ein paar G'stopften - wie manche in der SPÖ meinen - geschmalzene Steuern aufzubrummen. Die Erfahrungen in Prölls Vorbildland Schweden, das eine ähnliche Krise gemeistert hat, bieten ein realistisches Bild künftiger Zumutungen: Gezahlt haben von der Oberschicht bis zur breiten Masse alle, es gab temporäre Steuererhöhungen und Sozialkürzungen, allerdings ohne das Fundament des Wohlfahrtsstaates zu untergraben. Und ja, es hat auch wehgetan.

Ein umfassender, nationaler Pakt zur Beseitigung der Krisenschäden, der die Lasten halbwegs fair verteilt und keine politischen Liebkinder aus der Pflicht entlässt, wäre ein lohnendes Thema für künftige Grundsatzansprachen der heimischen Regierungsspitzen. Bisher redeten die beiden um den heißen Brei herum und setzten dem Publikum nur halbgare Happen à la Transferkonto und Generationenfonds vor. Visionen wie diese sind zwar leicht bekömmlich. Doch irgendwann müssen auch Faymann und Pröll ihre Luftschlösser verlassen. (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 7.12.2009)