Unter Menschen, die den Umstand, dass sie in einem faktischen Einwanderungsland leben, etwas Positives abgewinnen können - etwa weil sie Vielfalt schätzen und das Grundrecht der Religionsfreiheit hochhalten - hat die Diskussion nach dem Schweizer Nein zum Bau von Minaretten Frust und Befürchtungen ausgelöst. Tatsächlich lässt das helvetische Votum in Österreich vor allem die Rechtspopulisten von FPÖ und BZÖ Morgenluft wittern (heute schaffen wir das Minarett, morgen die Burka, übermorgen die Mehrheit) während die anderen politischen Player verstummen - und das Ganze wird auch noch verstärkt untermalt von muslimenfeindlichen Wortmeldungen aus des Volkes Mund auf Straßen, in U-Bahnen und Internetforen.

Wem darüber die Grausbirnen aufsteigen, sollte sich klar sein: Dieser ausländerfeindliche Hype kommt nicht von ungefähr und auch gar nicht überraschend - nur hat bisher keiner ernsthaft etwas dagegen unternommen. Das zeigen die neuen Ergebnisse einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes GfK über "Einstellungen zur Migration", die am Rande der Vorstellung des Integrationskonzeptes für Wien der Industriellenvereinigung (IV) vor ein paar Tagen präsentiert wurden.
Ihre Kernaussage: Zwar sieht eine Mehrheit der Befragten wirtschaftliche Vorteile durch Einwanderung und ist dafür, Migranten die Eingliederung am Arbeitsmarkt zu erleichtern (81 Prozent sind "völlig" oder "eher" der Ansicht, dass "wer legal in Österreich lebt, hier auch arbeiten dürfen sollte"). Aber nur eine Minderheit ist der Meinung, dass "kulturelle und religiöse Vielfalt etwas Positives und für alle im Land eine Bereicherung" darstellen.

Diesem Statement stimmten in ganz Österreich nur zehn Prozent der Befragten "völlig" und 27 Prozent "eher" zu. 26 Prozent teilten die Ansicht „eher nicht", weitere 26 Prozent "gar nicht" (bei acht Prozent "weiß nicht"-Antworten und vier Prozent, die gar keine Angaben machten). Macht 37 zu 52 Prozent gegen "Vielfalt als Chance" (so der Titel besagten IV-Konzepts), wenn sich die neue Vielfalt tatsächlich auch bemerkbar macht. Sei es durch ortunübliche Kleidung, Sprache, sonstige Sitten und Gebräuche - oder gar ein Gotteshaus mit Minarett.

Zuwanderung? Bitte sehr, wenn es denn sein muss - vor allem, wenn es uns wirtschaftlich etwas bringt. Aber wenn schon, dann so, dass man es nicht merkt: So könnte man diese Meinungsmischgulanz zusammenfassen. Laut GfK-Chef Rudolf Bretschneider hat sie in Österreich Tradition, wobei jedoch seit Mitte der 1990er-Jahre die "kulturelle Offenheit" massiv abgenommen habe: 1994 meinten 68 Prozent, dass "Ausländer ihren Lebensstil ein bisschen besser an jenen der Inländer anpassen" sollten, 2008 war diese Mehrheit noch weiter angeschwollen, auf 80 Prozent. Dass auf dieser intoleranten Meinungsbasis Minarettprojekte nur ein wackliges Fundament haben, dürfte auf der Hand liegen. Ebenso, dass derlei Einstellungen keinerlei Grundlage für die Herausforderungen einer Einwanderungsgesellschaft sind. Also untauglich für die Gesellschaft, in der wir leben.

Irene.Brickner@derStandard.at