Bilbao/Wien - Nach den Ausschreitungen beim Match der Austria gegen Athletic Bilbao (0:3 im Franz-Horr-Stadion) von Donnerstagabend haben Schlachtenbummler aus dem Baskenland Vorwürfe gegen Wiener Fans und die Polizei erhoben. Andererseits berichtete die Tageszeitung "El Pais", dass auch "Ultras" von Real Madrid und Espanyol Barcelona in die Randale verstrickt gewesen sein sollen.
In einem Video, das unter anderem von der auf Spanisch erscheinenden baskischen Tageszeitung "El Correo" (Internet) verbreitet wurde, schildern nach Bilbao zurückgekehrte Anhänger, dass ihnen in Wien regelrecht aufgelauert worden sei. Die Wiener Polizei habe sich trotz offensichtlicher Bedrohungen sehr passiv verhalten.
"Sie haben auf uns gewartet. Als wir gekommen sind, und haben uns gleich gepackt", schilderte ein älterer Mann den Empfang in der Bundeshauptstadt und die Stimmung rund um das Stadion, "die Polizisten haben keine besonderen Anstrengungen unternommen, um uns zu helfen." Die Athletic-Fans hätten zum Teil "große Angst" gehabt, erzählte ein anderer Anhänger aus dem spanischen Baskenland (Euskadi), "sowohl im Stadion als auch außerhalb." Austria-Hooligans hätten ihnen Schals und die baskischen Fahnen, die "Ikurrinas", weggenommen.
"El Correo" schrieb von einem "höllischen Ambiente". Ein Informatik-Student aus Bilbao, der in Prag ein Erasmus-Stipendium absolviert und extra wegen des Matchs nach Wien reiste, habe bei einer Attacke sogar eine leichte Kopfverletzung erlitten, die im Spital behandelt wurde. Der 23-jährige verfolgte die Partie in Folge mit einem großen Kopfverband.
Im "Correo" schilderte der Student, dass er sich mit einer Gruppe von rund 15 Athletic-Fans beim Stephansdom getroffen habe, um dann gemeinsam ins Stadion zu fahren. Dort seien sie von einer rund 30-köpfigen Gruppe von "Neonazis" attackiert worden. Ihm selbst habe man die Kapuze über den Kopf gezogen und ihm dann mit einem Gegenstand Schläge versetzt. "Womit sie mich attackiert haben, weiß ich nicht, die Wunde musste aber mit fünf Stichen genäht werden."
Athletic-Präsident Fernando Garcia Macua erklärte gegenüber der Sportzeitung "As", dass er auf der Ehrentribüne durchaus "angespannte Momente" erlebt habe. Die Sicherheitskräfte hätten vorübergehend die Kontrolle verloren. "Bis die Bereitschaftspolizei kam, gab es einige sehr schwierige Minuten." Bis ein Kordon gezogen wurde, "hätte alles passieren können." Auch Ehrengäste wie der spanische Botschafter in Wien, Jose Maria Pons Irazazabal, seien betroffen gewesen. Garcia Macua sprach von einer Gruppe von 2.000 bis 2.500 "gewalttätigen" Fans, die ihn um die Sicherheit der mit seiner Mannschaft mitgereisten Fans habe bangen lassen.
Die spanischen und baskischen Zeitungen ließen indes weiterhin keinen Zweifel daran, dass ultrarechte Austria-Fangruppen in Verbindung mit "Kollegen" aus Italien (Lazio Rom) und Bulgarien (Levski Sofia) hinter den Attacken standen. Die feindliche Stimmung sei auch anhand beleidigender Transparente, Sprechchöre und Provokationen wie spanischer Fahnen mit Adlerwappen aus der Franco-Zeit deutlich geworden. Unter der Diktatur von General Francisco Franco (1939 bis 1975) war die baskische Bevölkerung samt ihrer Kultur und Sprache einer besonderen Unterdrückung ausgesetzt gewesen.
Eine neue Facette brachte aber "El Pais" ins Spiel. Demnach waren auch Mitglieder der Real-Madrid-Fangruppe "Ultrasur" und der "Brigadas Blanquiazules" von Espanyol nach Wien gereist. Die Störaktion sei demnach gemeinsam mit Austrias "Fanatics" geplant gewesen. "Das war die erste konzertierte Aktion verschiedener Ultras-Gruppen", wurde Esteban Ibarra vom "Movimiento contra la Intolerancia" ("Bewegung gegen Intoleranz") in dem Blatt zitiert, "das ist eine Drohbotschaft und sehr Besorgnis erregend."
Das Match sei gezielt ausgewählt worden, meinte Ibarra gegenüber "El Pais". "Sie hatten die perfekte Gelegenheit: Sie wollten Athletic Angst machen, weil sie Basken sind. Zudem konnten sie einen Verein mit einer markanten jüdischen Vergangenheit darin verstricken." Wobei "El Pais" diesbezüglich auch etwas dick auftrug.
Zwar waren bei der Austria bzw. dem Vorläuferclub "Amateure" in der Zwischenkriegszeit tatsächlich prominente jüdische Leitfiguren wie der Arzt Emanuel "Michl" Schwarz am Werk, dass die "Mehrheit ihrer Spieler und Funktionäre" nach dem "Anschluss 1938" aber "exekutiert" wurden, wie "El Pais" schrieb, ist historisch in dieser Form nicht belegt. Tatsache ist, dass etwa Schwarz ins Exil gedrängt wurde.
Berichte österreichischer Medien, welche die Vorfälle vom Donnerstag auf die umstrittene Leistung des norwegischen Schiedsrichters Svein Oddvar Moen zurückführten, wurden in Spanien eher belustigt bis indigniert zur Kenntnis genommen. Aus Austria-Sicht hatte der Norweger wahrscheinlich bei allen drei Toren Regelverstöße (zweimal Abseits, einmal Foulspiel) nicht geahndet. Die spanischen und baskischen Journalisten sahen aber keinen direkten Zusammenhang mit den Pfiffen des Referees.
Nach Meinung eines Kolumnisten von "El Correo" hatte die "ideologisch fehlgeleitete Masse" samt ihren internatioanlen Verbindungen ohnehin nur ein Ziel, nämlich Radau zu schlagen und Aggressionen auszuleben. Die "Austria-Ultras" seien schon beim Hinspiel im Estadio San Mames von Bilbao durch äußerst provokantes Verhalten unangenehm aufgefallen, ohne dass es Konsequenzen gegeben habe.
"In Wien schafften sie es dann, die Partie zweimal zu unterbrechen", hieß es in dem Kommentar mit dem Titel "Die Schande Europas". Es sei unverständlich gewesen, warum das Spiel nach einer 20-minütigen Unterbrechung wieder angepfiffen wurde. "Was braucht es noch, damit ein Match in Europa abgebrochen wird", fragte der Kommentator. Nun müsse es für die Austria wenigstens eine "exemplarische Strafe" geben. (APA)