Es geht um viel bei diesem UN-Gipfel in Kopenhagen: Nicht nur um ein Folgeabkommen für das Kioto-Protokoll, sondern - pathetisch ausgedrückt - um die Zukunft dieses Planeten und seiner Bewohner. Alle zur Verfügung stehenden Daten zeigen Klimaveränderungen mit Folgen, die Inselbewohner stärker als reale Bedrohung wahrnehmen als Österreicher, die in einem Land ohne Meereszugang und in einer gemäßigten Klimazone leben. Aber jede Österreicherin, jeder Österreicher trägt mit seinem Verhalten dazu bei, ob ein Bewohner der Malediven künftig auch noch auf seinem Eiland leben kann oder Bangladescher ihre Heimat nicht verlassen müssen.

In Kopenhagen geht es auch deshalb um mehr, weil es um Gerechtigkeit geht: Darum, ob alle Menschen auf dieser Welt das gleiche Recht zu konsumieren, sich zu entwickeln haben. Denn folgerichtig sagen Schwellenländer wie Indien: Warum sollen wir uns einschränken, wenn die industrialisierten Staaten Jahrzehnte über ihre Verhältnisse gelebt und das Problem hauptsächlich verursacht haben? Deshalb müssen in Kopenhagen Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Es ist gerecht, wenn die Erste Welt finanziell dazu beiträgt, dass klimaschonende Technologien auch in Dritte-Welt-Ländern zum Einsatz kommen können. Die Kosten für Umrüstungen weltweit werden auf insgesamt 1000 Milliarden Euro geschätzt.

Es wird schwierig genug werden, in Kopenhagen überhaupt Reduktionsziele festzulegen. Immerhin ist Bewegung in die Verhandlungen gekommen: US-Präsident Barack Obama hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger George W. Bush nicht nur die Daten der Wissenschafter zur Erderwärmung anerkannt, sondern auch konkrete Reduktionsziele genannt: Das ist ein Fortschritt. Auch China, der inzwischen größte Produzent von Treibhausgasen weltweit, hat harte Zahlen vorgelegt. Dass die kommunistische Führung, die bei einer Drosselung des wirtschaftlichen Aufholprozesses soziale Spannungen im Land befürchtet, den Ausstoß von Treibhausgasen verlangsamen will, ist immerhin etwas. Sowohl Obama als auch Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao wollen in Kopenhagen dabei sein - das ist ein Signal, das Hoffnung weckt.

Die österreichischen Teilnehmer werden keine entscheidende Rolle spielen, aber auf den Beitrag Österreichs kommt es in diesem komplexen System genauso an. Dass Österreich seine Klimaziele als einziges der alten EU-Länder deutlich - gleich um 24 Prozentpunkte - verfehlt hat, ist blamabel. Bisher hat sich Österreich als Umweltmusterland geriert. Schaut man genauer hin, fällt der Vergleich nicht so gut aus. Bei einer EU-Abfallstudie landete Österreich nur auf Platz 6, der Anteil der Umweltsteuern beträgt nur 5,6 Prozent.

Überfällig ist ein Plan mit konkreten Vorgaben, wer wie viel in welchem Bereich einsparen muss. Der größte Klimasünder in Österreich ist der Individualverkehr. Folgerichtig muss der öffentliche Verkehr ausgebaut werden - etwa das seit Jahren diskutierte Jahresticket der Bahn Realität werden.

Nur wenn in Kopenhagen die drei Ziele - konkrete Reduktionsvereinbarungen, ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen und Finanzzusagen - erreicht werden, kann man von einem Erfolg sprechen. Für die Umsetzung muss dann Klimaschutz auf gangbare kleine, konkrete Schritte heruntergebrochen werden. Diejenigen, die bisher zu viel emittiert haben, müssen mehr beitragen. Es geht nicht nur um Gerechtigkeit, es geht auch um eine neue Weltordnung - und um Glaubwürdigkeit. Und zwar von jedem Einzelnen. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 5.12.2009)